Kostprobe „Nixon in China“ am 23.05.2023 – rasant, farbenprächtig, bildmächtig, satirisch

Wer regelmäßig meine Berichte hier auf der GFO-Seite liest, der weiß, wie sehr ich dieses Angebot der „Kostproben“ liebe und schätze. Durch sie bekommen wir einen Einblick in eine Produktion im Entstehungsprozess und erhalten Einblicke in die Absichten hinter einer Inszenierung. Wir sehen hinein in die Probe, es ist wie ein Blick durch das Schlüsselloch. Wir sehen schon mehr als alle anderen Menschen und wissen mehr. Wir haben Anteil an etwas, was noch ein Geheimnis ist. Das alles für 10 Euro, herrlich! Auch diese Kostprobe erfüllte wieder alle meine Erwartungen.

Vor der eigentlichen Probe gibt es immer eine halbstündige Einleitung. Dramaturgin Regine Palmai hatte dazu den musikalischen Leiter Daniel Carter und den Regisseur Daniel Kramer zu Gast.

Foto und Copyright: Achim Riehn

Daniel Carter, geboren in Sidney, jetzt GMD in Coburg, erzählte, dass er schon seit Teenagertagen von dieser Oper fasziniert ist. Er war von Beginn an „in Liebe verfallen“. Die Begeisterung für sie hat ihn sein ganzes Leben begleitet. Musikalisch gibt es hier „ein bisschen von allem“. Anklänge an klassische Opern sind zu hören, Zitate scheinen auf, Musical und Rockmusik und Swing sind vorhanden. Es ist eine sehr spannende Musik: „Man ist die ganze Zeit am Gang schalten“. Die Musik ist komplex, die Sinne verwirrend, sie funktioniert so ähnlich wie die Bilder des Malers Escher. Diese Musik macht Spaß. Sie hat „Druck auf dem Kessel“, ist aber gleichzeitig „voller Leichtigkeit und Spaß“. Sie ist allerdings für Ausführende sehr schwer zu lernen. Unter den Instrumenten ist auch ein Synthesizer, der wie aus den Achtzigern (dem Zeitraum der Entstehung) klingen muss. Um einen homogenen Gesamtklang hinzubekommen, wird die Musik elektronisch leicht verstärkt. Frau Palmai meinte, das sei dann gleich ein perfektes Training für die neue Tonanlage.

Regisseur Daniel Kramer ist in den USA geboren, seine Ausbildung war sehr vielfältig, es ging von Zirkus bis hin zum Drama. Er lässt sich stilistisch kaum einordnen. Zuletzt hat er „Die tote Stadt“ in Düsseldorf und „Turandot“ in Zürich inszeniert. Er freut sich unheimlich, dass er dieses Stück hier endlich auf die Bühne bringen kann. Wegen der Pandemie hat es mehrjährige Verzögerungen gegeben. Die Begeisterung für das Stück und die Aufgabe war bei jedem Wort zu spüren. Ich habe selten jemand gesehen, der so übersprudelt vor Begeisterung. „The opera ist very funny!“, sie ist für ihn ein bombastischer Blumenstrauß, den jemand nur in jungen Jahren schaffen konnte. Wichtig ist, was uns diese Oper in der heutigen Zeit zu sagen hat. Das historische Sujet wird in der Oper nur als Ausgangspunkt genommen, es geht dann ganz klassisch um Beziehungen zwischen Personen. Es ist eine „Heldengeschichte“, aber es sind moderne, gebrochene Helden. Es geht um die Distanz und die Nähe zwischen den Personen, das ist zeitlos, das ist „a step away from history“. Dabei sind alle Personen auf der Bühne ganz individuell gezeichnet.

In der Probe sahen wir dann den zweiten Akt: das Damenprogramm für Pat Nixon und die Theatervorführung für die Staatsgäste, das Ballett „Das rote Frauenbataillon“. Realität und Traum vermischen sich, die Personen werden in dieses Ballett hineingezogen und mit zu Akteuren. Im Ballett geht es um den Missbrauch von Frauen, das ist schon eine vorweggenommene „Me Too“-Geschichte.

Ich darf nicht zu viel erzählen über das, was auf der Bühne geschah, das ist bis zur Premiere ja noch geheim. Aber einige Andeutungen kann ich machen. Dieser zweite Akt wird rasant, farbenprächtig, bildmächtig, satirisch, das wird eine Art „Glamour-Musical“. Die Drehbühne wechselt blitzschnell die Szenerie. Chor, Bewegungschor und Statisterie haben komplexe Abläufe, es gibt Tanzeinlagen aus dem Ballett. Ich konnte mich an den Bildern nicht satt sehen, die Zeit verging wie im Flug. In diesem zweiten Akt gibt es die wunderbar lyrische Arie der Pat Nixon „This is prophetic“, ein
wunderbarstes Glanzstück. Der Akt endet dann mit der Königin-der-Nacht-Arie der Madame Mao. Das wurde außerordentlich beeindruckend gesungen und umgesetzt. Ich freue mich jetzt wirklich sehr auf die Aufführung, das darf man nicht verpassen! Das wird ein Fest für das Auge und für das Ohr. Die Musik schimmert, glitzert, strahlt, swingt, tanzt, schwebt. Diese Probe endete in einem Rausch aus Musik und sich bewegenden Personen, sich wie in einer Disco überlagernden, blinkenden Lichtspuren. „The book!“-Rufe wie skandierende Fangesänge in einem Fußballstadion, das war mitreißend. Meine Füße kamen aus dem Mitwippen nicht mehr heraus.

Im kleinen Kreis saßen wir danach noch mit Frau Palmai zusammen. Wir waren doch ziemlich beeindruckt von dem, was wir gesehen und gehört hatten. So geht moderne Oper, so muss das sein, brennend und leuchtend! Das war erst eine Probe, wie wird das erst sein, wenn alles abgestimmt ist, das Licht stimmt, die Kostüme da sind, Sängerinnen und Sänger aussingen? Hingehen und sich überraschen und begeistern lassen! Ich habe schon Karten!

Achim Riehn

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