Kritik zu „A Wilde Story“
„A Wilde Story“, ein Ballett von Marco Goecke, handelt von Oscar Wildes Lebensgeschichte und seinen Werken im viktorianischen England.
Diese werden immer abwechselnd vorgetragen, wobei am Anfang eine klare Trennung zwischen seinem Leben und seinen Werken zu erkennen ist, die jedoch mit der Zeit immer mehr verschwimmt.
So passt die Auswahl seiner Werke sehr gut zu der Erzählweise und sorgt bei Ballett-Neulingen gleicherweise für ein relativ gutes Verständnis des Balletts.
Möglicherweise wegen der Musik wirken manche Szenen vor allem am Anfang etwas langatmig und verwirrend. Nichtsdestotrotz ist die Musik sehr gut ausgewählt. Die Mischung von moderner Orchestermusik und alternative Rock von „The Smashing Pumpkins“ ist gut gelungen, jedoch ist der Übergang zwischen der Musikanlage und dem Orchester etwas gewöhnungsbedürftig.
Die Besetzung hat wunderbar das Spannungsfeld des offenen Oscar Wilde und seinem künstlerischen Schaffensdrang im Gegensatz zur Enge des viktorianischen Zeitalters dargestellt. Das Bühnenbild war dazu passend und hat dem Ballett einen schönen Hintergrund gegeben.
Insgesamt ein gut gelungenes Ballett, was obendrein auch für Neulinge sehr unterhaltsam ist.
Christian (Jg. 13, Georg-Büchner-Gymnasium, Seelze)
„The Fall of the House of Usher“ in der Staatsoper Hannover zeigt den Weg in den Wahnsinn
Ein düsterer Saal, ein quadratisches Loch in der Mitte der Bühne, zehn alte Fernseher, die kurze Momente aus der Vergangenheit zeigen. Wird man nicht verrückt, wenn man das jeden Tag ertragen muss? Roderick Usher wird es und seine einzige Hoffnung ist William.
Die Oper „The Fall of the House of Usher“ (Der Untergang des Hauses Usher) erzählt unter Carlos Vázequez ́ musikalischer Leitung die dramatische Geschichte von Roderick Usher, der sich selbst im Wahnsinn verlor und nun hofft, sein Jugendfreund William könne sein altes Ich wiederfinden.
Die Kurzgeschichte von Edgar Allen Poe spielt im alten Familienerbe Ushers, einem Haus, welches verfallen und trostlos wirkt. Auf Ushers Bitte hin besucht ihn William für einige Zeit und die beiden begraben Madeleine, die Zwillingsschwester Rodericks, die während des Besuches scheinbar stirbt. Im schaurigen Finale der Geschichte klettert sie aus der Gruft hinaus und stürzt sich auf ihren Bruder.
In der Inszenierung wird Madeleine von zwei Darstellerinnen gespielt. Petra Radulovic stellt eine erwachsene Zwillingsschwester dar, die ohne Worte singt und deren Töne direkt ins Herz stechen. Wieso spricht sie nicht? Sie scheint nur noch ein Geist ihrer selbst zu sein und wie ihr Bruder dem Wahnsinn verfallen. Die junge Madeleine, von einem Mädchen gespielt, redet auch nicht. Sie kommt zeitgleich mit William auf die Bühne, als wäre sie eine Erinnerung, die er mitbringt. Erinnerungen an Ushers Kindheit könnten sich auch in der weißen Box befinden, die sie in den Armen hält und den anderen Personen überreichen möchte. Roderick Usher wird vom irischen Tenor Peter O ́Reilly verkörpert. Seine Beziehung zu William und zu seiner Schwester erweisen sich als tiefer als gedacht. William, gespielt von Lluís Calvet i Pey, und er harmonisieren stimmlich perfekt und ein Kuss auf der Bühne stellt klar: Die beiden sind mehr als nur Freunde. Doch auch Madeleine und Roderick scheinen sich näher zu stehen als es Geschwister sollten.
Kurz tauchen mehrmals ein Arzt und ein Diener auf, gespielt von Tobias Bialluch und Jakub Szmidt, deren adretter Gang im Kontrast zu den teilweise unkontrollierten Bewegungen der Ushers steht.
Das Niedersächsische Staatsorchester Hannover bringt Leben in die Oper. Der moderne Stil der Stücke passt zur neuen Interpretation der Geschichte. Besonders fällt die akustische Gitarre auf, deren Klang von sanften Nylonsaiten an die Kraft der Musik erinnert. Auch in dem Originaltext von Poe spielen William und Roderick Gitarre, da es das einzige Instrument ist, welches Usher ertragen kann. Der Gesang ist auf Englisch gut zu verstehen und auch auf den Fernsehern zum Teil ins Deutsche übersetzt. Beeindruckend ist der tiefe Ton des Dieners vom polnischen Bass Jakub Szmidt. Petra Radulovic zeigt wiederum ihr Können mit den technisch anspruchsvollen langen
Tönen. Tobias Bialluch war zu der Aufführung vom 14.02.23 krank, weshalb der Arzt kurzfristig von einem Mitglied des Ensembles und einer Darstellerin vertreten wurde.
Die Wirkung der Oper hält lange an. Man hat das Gefühl, in das Innere einer verletzten Person geblickt zu haben. Mehrmals wickeln sich die Geschwister mit Kabeln ein, es kommt sogar Kunstblut daraus. Sand und schwarzer Schleim wird auf der Bühne verteilt, bis sie am Ende vollkommen verdreckt ist. Der herzliche William, zuerst schick und ordentlich im Anzug, kann die beiden Ushers nicht retten und endet ebenso traumatisiert wie sie. Dieses hoffnungslose Ende nimmt die Zuschauer mit und lässt sie mit einem fasziniert-verstörten Gefühl zurück.
Jana (Jg. 11, Geschwister-Scholl-Gymnasium Berenbostel)
Kritik – Mefistofele
Am 28.09.2022 haben wir, die Opern-AG des Gymnasiums Lehrte, die Vorstellung der Oper “Mefistofele” im Staatstheater Hannover besucht. Diese hatte kurz zuvor, am 24.09.2022, ihre Premiere. Nach einer Inszenierung von Elisabeth Stöppler und unter der musikalischen Leitung von Stephan Zilias und James Hendry wurde die Geschichte nach Goethes Faust in etwa 160 Minuten erzählt.
Schon zu Beginn wurde der Konflikt zwischen Gott und dem Teufel deutlich, indem mehrere Engel dem Teufel gegenübertraten. Ein weiterer Faktor war der Hund, der den Teufel anfangs begleitete. Die Inszenierung lässt sich nicht nur auf den Konflikt zwischen Gut und Böse beziehen, sondern stellt auch das Machtstreben der Menschheit infrage. Dazu wird der Fokus nicht auf Faust selbst, sondern auf Mephisto, also das Böse, gelegt. Das Publikum wird angeregt, darüber nachzudenken, wie weit man für sein eigenes Glück gehen würde. Gleichzeitig werden die Konsequenzen dargestellt.
Das Auftreten des Chors als schwangere Engel wirkte zunächst etwas irritierend. Auffallend war ebenfalls der Einsatz von Ganzkörperanzügen, sowohl für Mephisto, als auch für die anderen Protagonisten. Die Abteilung für Kostüm und Bühnenbild hat sich ausgetobt, was besonders beim Auftritt des Riesenbabys deutlich wurde. Insgesamt war das Bühnenbild sehr gelungen. Durch den Einsatz verschiedener Elemente, wie beispielsweise das große Kreuz oder die Lametta-Fäden, wurde ein sehr schöner Anblick für das Publikum geschaffen. Besonders die himmlische Atmosphäre kam sehr gut an. Ein Highlight war dabei der Kinderchor, der komplett in Gold auftrat. Auch die anderen Kostüme waren gut auf die Charaktere abgestimmt.
Der Sänger des Mephisto bewies sein Talent für die Darstellung des Düsteren. Er hat es
geschafft, ein gutes Gleichgewicht zwischen dem Bösen und der (Schaden-)Freude des
Teufels zu schaffen, was diesen sogar ein Stück weit sympathisch machte. Auch die Wahl von Heinrich Horwitz als Gott war durchaus gelungen. Ein queerer, nicht-binärer Gott stellt das System in Frage. Ein weiterer Kontrast wird dadurch geschaffen, dass Gott, im Gegensatz zu allen anderen, eine Sprechrolle ist. Gerade durch den Monolog in der Mitte der Vorstellung wurde man als Zuschauer:in zum Nachdenken angeregt. Dass die Inszenierung nicht nur bei uns gut ankam, zeigte sich am Ende der Vorstellung: Das Publikum applaudierte über mehrere Minuten für alle Mitwirkenden.
Abschließend lässt sich sagen, dass wir alle begeistert waren. Besonders diejenigen von uns, die zum ersten Mal eine Oper besucht haben, waren positiv überrascht. Die Inszenierung von Elisabeth Stöppler hat Lust auf mehr gemacht.
Ronja (Jg. 12, Gymnasium Lehrte)