Intendantinnen-Treffen von TATORT OPER am 13. März: „Oper setzt im Herzen und Kopf vielfältige Prozesse frei“
Am 13. März konnte zum zweiten Mal das traditionelle Intendantinnentreffen unseres Jugendprogramms TATORT OPER mit Laura Berman durchgeführt werden. Die Besonderheit dieses Jahr war, dass das Programm zum ersten Mal seit 2019 wieder ohne (Corona-) Einschränkungen durchgeführt werden konnte und 140 Schülerinnen aus 10 Schulen sechs Vorstellungen besuchen können. Von daher war die Spannung groß, mit Laura Berman über vier der bis zum März gesehenen Produktionen reden zu können.
Zur Auflockerung und Erinnerung an die Besonderheiten einer Aufführung übernimmt traditionell eine der TATORT-OPER-Gruppen eine Anmoderation (eine szenische Kurzinterpretation) eines Werkes.
Zu Beginn hat die Ricarda-Huch-Schule in ihrer Interpretation die vielfältigen Gegensätze in Boitos MEFISTOFELE wie u.a. den zwischen Liebe und Hass hervorgehoben. In den anschließenden Fragen zu dem Werk ging es u.a. darum, inwiefern sich z.B. die Figur des Gottes im Laufe der Entstehung der Inszenierung von einem traditionellen Gottesbild eines Mannes mit Bart zu einer nicht binären Figur verändert hat. Auch hat Frau Berman verraten, dass ihre Generation von Intendant:innen und Regiseur:innen im Studium von den Leistungen der großen Opernregisseure dieser Zeit wie Hanns Neuenfels, Götz Friederich oder Harry Kupfer stark eingeschüchtert war und Schwierigkeiten hatte, eigene Wege zu gehen und sich erst die folgende Generation davon befreien konnte.
In dem Blick auf Marco Goeckes A WILDE STORY hat die Leibnizschule in ihrer szenischen Interpretation die Frage aufgestellt, wo für Oscar Wilde das Glück zu finden war und deutlich gemacht, dass der homosexuelle Künstler an den unversöhnlichen Gegensätzen von Liebe und Leidenschaft einerseits und dem Neid und Unverständnis der viktorianischen Gesellschaft andererseits zugrunde gegangen ist. Frau Berman betonte in dem Gespräch über das Ballett u.a., dass mit der vielfältigen Musik, die von Zeitgenossen Wildes bis in unsere heutige Zeit reichen würde auch hervorgehoben werden sollte, dass die Probleme, mit denen Wilde zu kämpfen hatte, auch heute noch weltweit existierten würden. Zudem hob sie hervor, wie schwer die Sprache des Balletts sei, weil die Bewegung im Zentrum des künstlerischen Ausdrucks stehe und dafür kein einheitliches Vokabular existieren würde.
Das Gymnasium Bad Nenndorf thematisierte in seiner Anmoderation zu THE FALL OF THE HOUSE OF USHER äußerst anschaulich das Verschwimmen von Realität von Wahn in dem Werk von Philip Glass und machte deutlich, dass man als Zuschauer quasi den Boden unter Füßen verliere und nicht mehr genau wüsste, was „los sei“, aber dennoch von der eindringlichen Inszenierung sehr in den Bann gezogen worden sei. Ein Aspekt des anschließenden Gespräches war die Bedeutung des offenen Quadrates in der Mitte der Bühne, das wie die Handlung ebenfalls vielfältige Interpretationen ermöglichte und in gewisser Weise mysteriös gewesen sei. Frau Berman sagte, dass das Quadrat verschiedene Assoziationen freisetzen sollte und u.a. auch für das geheimnisvolle Grab im Haus der Familie Usher stehen würde. Zudem machte Frau Berman deutlich, dass auch Philip Glass‘ Musik einen ganz großen Anteil daran trüge, dass man den Boden unter den Füßen verlieren würde, denn die Musik würde durch die andauernden Repetitionen das Gleichmaß, das sonst durch den Zusammenhang der Taktschwerpunkte gebildet würde, verlieren mit dem Ziel, den Zuhörer quasi in einen anderen Bewusstseinszustand kommen zu lassen.
In der abschließenden szenischen Darstellung des MÄRCHEN VOM ZARAN SALTAN der Neuen Schule Wolfsburg war das Besondere, dass ein Schüler auf einem Bein stehend nur mit einem Trompetenmundstück (!) den Hummelflug von Rimski-Korsakow wunderbar zu Gehör brachte und eine Schülerin den Text – wie in der Inszenierung – in russischer Sprache rezitierte, während ihre Mitschüler:innen die Handlung des Märchens knapp darstellten. Gerade dieses Rezitieren in russischer Sprache in der Inszenierung fanden viele Schülerinnen und Schüler besonders eindringlich, denn es hob hervor, wie schön alleine die Melodie der Sprache sein könne.
Abschließend betonte Frau Berman, dass das Spannende an einer guten Inszenierung sei, dass sie im Herzen und im Kopf ganz vielfältige Prozesse freisetze und eben auf unterschiedliche Weise zu deuten sei.
Auf den Bildern sieht man Frau Berman zusammen mit Dr. Stephan Schmidt, dem Leiter von TATORT OPER, der das Treffen moderiert hat und Matthias Brandt, dem Leiter des EXCHANGE Programms der Staatsoper Hannover, der das Treffen wunderbar auf Seite der Staatsoper vorbereitet hat.
Dr. Stephan Schmidt, Leitung TATORT OPER