Drei ganz unterschiedliche Werke der Klassik standen am 9. Februar 2025 auf dem Programm: drei Stücke mit einem Bezug zu Paris. Musik der klassischen Periode, das ist eigentlich ein Programm, das für meinen persönlichen Geschmack nicht „aufregend“ genug ist. Aber es gefiel mit ausnehmend gut. Wir hörten Musik von Louise Farrenc, Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven, die uns in diesen unruhigen Zeiten ein bisschen glücklich gemacht hat. Am Pult des Niedersächsischen Staatsorchesters Hannover stand diesmal der Dirigent Mario Venzago, ein gern gesehener Gast hier am Dirigentenpult. Zuletzt erlebten wir ihn im März 2023.
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Schlussapplaus vom 4. Sinfoniekonzert in der Spielzeit 2024/25 an der Staatsoper Hannover (c) Achim Riehn
Louise Farrenc (1804-1875) war eine Größe des Pariser Musiklebens des 19. Jahrhunderts und hatte über 30 Jahre eine Professur am dortigen Konservatorium inne. Ihre abwechslungsreiche, farbige Musik verbindet die Leichtigkeit Mozarts mit der Wucht Beethovens.
Die Konzertouvertüre Nr. 1 e-Moll ist eines ihrer ersten Werke für Orchester.
Nach einem auftrumpfenden Beginn geht es energisch und fast beschwingt weiter. Ein tänzerischer Mittelteil schließt sich an, das Energisch-Vorwärtstreibende kommt aber schnell wieder. Das ist farbige, melodiöse Musik, von Beethovens Geist durchzogen, aber ganz eigen gefärbt. Das Orchester spielte das mit einer Energie, die es fast wie ein romantisch angehauchtes Werk von Beethoven klingen ließ. Danke für diese lohnenswerte Erweiterung des Repertoires!
Das Konzert für Flöte, Harfe und Orchester von Wolfgang Amadeus Mozart entstand 1778 in Paris als Auftragskomposition. Als Solisten hörten wir an der Flöte Silvia Rozas Ramallal und an der Harfe Ruth-Alice Marino. Silvia Rozas Ramallal ist seit 2023 Soloflötistin im Niedersächsischen Staatsorchester, Ruth-Alice Marino wurde schon mit einundzwanzig Jahren Solo-Harfenistin des Niedersächsischen Staatsorchesters. Seit über 20 Jahren spielt sie auch als Soloharfenistin im Bayreuther Festspielorchester und spielt dort unter anderem die großen Solo-Partien für Harfe im „Tannhäuser“ und den „Meistersingern von Nürnberg“.
Keine Düsternis trübt die melodienselige Musik dieses Konzert, das ist alles fröhlich, leuchtend, positiv, schwungvoll. Der erste Satz ist beschwingt, elegant, durchsichtig, frühlingshaft, es ist wie Vogelgesang an einem sonnigen Morgen. Der zweite Satz ist gesanglich, balladenartig, behaglich, ist eine echte Wohlfühlmusik. In allen Sätzen des Konzerts gibt es ausgedehnte Passagen für die beiden Soloinstrumente allein, die in diesem Satz gefiel mir besonders, herrlich intensive, in sich versunkene Musik. Der dritte Satz ist dann mehr fröhlich vorantanzend, es ist wieder eine Art Vogelkonzert.
Das ist Musik zum Träumen, traumhaft schön wurde das auch gespielt. Nie überdeckte das Orchester die beiden Soloinstrumente, das war eine überaus delikate Begleitung. Und welche Klasse der beiden Solistinnen! Jeder Ton, jede Passage wurde auf das Feinste gezeichnet, fast ausgekostet! Das Orchester kann stolz darauf sein, zwei so hervorragende Interpretinnen in seinen Reihen zu haben! Mit einer virtuos-impressionistischen Zugabe (die ich nicht erkannt habe, vielleicht Debussy) wurden wir dann in die Pause entlassen.
Die 5. Sinfonie von Ludwig van Beethoven gehört zu den berühmtesten Werken der klassischen Musik, fast jede und jeder hat das Viertonmotiv des Anfangs im Ohr. Das ist Musik voll Aufruhr, aber auch voll Lebensfreude. Zu Lebzeiten von Louise Farrenc wurde die Sinfonie sehr häufig in Paris gespielt. Diese Beliebtheit mag an den Anklängen an französische Revolutionslieder liegen, die in der Sinfonie enthalten sind. Beethoven hatte zudem wohl diese Sinfonie ursprünglich für eine Parisreise konzipiert.
Mario Venzago und das Niedersächsische Staatsorchester präsentierten uns eine eindrucksvolle, fast würdevolle Version dieser Sinfonie. Die Tempo waren nicht so schnell, dass der Eindruck von Hektik entstand. Sie waren aber auch nicht so langsam, dass es in weihevolles Pathos abglitt. Die Leistung des Orchesters war wieder großartig, ich höchste keine Instrumentengruppe hervorheben.
Im ersten Satz treibt das berühmte Viertonmotiv den ganzen Satz voran
mit seiner Wucht und seiner Energie. Das ist fast aufgeregt, unerbittlich, von Feuer durchglüht und steigert sich bis zur Raserei. Das wurde präzise und mit Feuer gespielt, das hatte Kraft, das hatte Farbe.
Der zweite Satz zeigt uns eine ruhigere, fast etwas tänzerische Musik, als ob wir nach diesem feuerdurchtosten ersten Satz besänftigt werden sollen. Aber schnell verwandelt sich dann die Musik in so etwas wie einen majestätischen Marsch. Das wechselt sich ab, durchdringt sich, geht ineinander über. Auftrumpfend endet der Satz. Hier wählte Mario Venzago ein eher langsames Tempo, was den Gegensatz zum ersten Satz noch verstärkte. Das Tänzerische hatte hier nichts sentimental Glattes, es hatte fast etwas Tapsiges, was für mich dieser Musik gut bekommt.
Der dritte Satz ist ein wuchtiger Tanz, voller Energie. Aber dann wird die Musik zurückgenommener, zarter – es sind aber noch dieselben Motive und Melodien. Ein mystischer Klangteppich führt attacca in den vierten Satz, das ist wie ein grandioser Sonnenaufgang nach einer von Nebeln durchzogenen Nacht. Die Musik sagt uns, dass die Revolution gesiegt hat, es ist ein immer stärker werdender Siegesjubel ohne Ende. Eine nachdenklichere, ruhigere Passage unterbricht nur kurz, dann geht die Musik wieder in den Sonnenaufgangsjubel des Satzbeginns über. Triumphal und strahlend klingt der Satz aus, mächtige Akkorde bilden den Schluss. Auch dies gelang Dirigent und Orchester wunderbar. Der Klangteppich zum Ende des dritten Satzes war fast impressionistisch gezeichnet, der Beginn des vierten Satzes wirkte so wirklich wie ein leuchtender, kraftstrotzender Sonnenaufgang. Der Jubel des vierten Satzes war dann so mitreißend, dass es mich fast nicht in meinem Sitz hielt. Der Beifall des ausverkauften Saals war verdient laut, enthusiastisch und lang anhalten.
Ein schönes Konzert mit schöner Musik, sehr gut gespielt und interpretiert, vom ausverkauften Haus bejubelt: So muss ein Konzert sein.
Text: Achim Riehn