Jubiläum! Am 10. März fand zum 40. Mal das traditionelle Intendantinnentreffen unseres Jugendprogramms TATORT OPER mit rund 100 Jugendlichen im Marschnersaal der Staatsoper statt.
Moderiert wurde die Veranstaltung vom Leiter des Programms, Dr. Stephan Schmidt, und der Leiterin Theresa Krokauer. Matthias Brandt, Leiter der Xchange-Abteilung der Staatsoper Hannover, sorgte für einen reibungslosen technischen und organisatorischen Ablauf. Bei einem Kaffee oder einer Limonade stellte sich Laura Berman letztmals in ihrer Funktion als Intendantin der Staatsoper Hannover den Fragen der Schüler:innen zu den bisher gesehenen Inszenierungen.
Als erstes Werk wurde SATYAGRAHA von Philip Glass besprochen. Stephan Schmidt rief in Erinnerung, dass die Aufführung dieses besonderen Werkes nicht mit einer traditionellen Werkeinführung startete, sondern mit einer Publikumsmeditation. Auf die Frage eines Schülers, ob so eine spezielle Form der Werkeinführung in Zukunft häufiger vorkommen könnte, gewährte Laura Berman einen Blick in ihre Jugend an der Highschool: Ihre Klasse war Teil eines Forschungsprojektes, bei dem Meditation eine große Rolle spielte. Anders als beim Schlafen wird der Körper bei Meditation zwar in einen ruhigen, aber dafür umso achtsameren, aufnahmefähigeren Zustand versetzt. Ein Zustand, der auch durch die meditative Minimal Music von Glass erzeugt wird und auf den das Publikum durch die Meditation vorbereitet wurde. Ein neuer, ungewöhnlicher Weg, der vielleicht auch in Zukunft öfter mal mit dem neugierigen Hannoveraner Publikum begangen wird.
Berman erklärte außerdem, mit welchen Tricks sich der Chor die vielen musikalischen Wiederholungen auf der schwierigen Sprache Sanskrit merken konnte, und dass Sanskrit von Glass absichtlich als Sprache gewählt wurde, damit sich das Publikum nicht so sehr darum bemüht, den Text verstehen zu wollen, sondern allein die Musik auf sich wirken lässt. Auf die Frage, wie man einen respektvollen Umgang mit der im Stück zentralen, uns nicht so vertrauten indischen Kultur sicherstellt, betonte Berman, dass es sehr wichtig sei, als Intendantin darauf zu achten, wen man für die Arbeit/Besetzung bei solch einem Werk besetzt. Aufgrund der musikkulturellen Unterschiede in der westeuropäischen und indischen Musik gäbe es wenige indische Sänger:innen, die auch die europäische klassische Musik singen können. Mit Shanul Sharma, dem indisch-australischen Tenor als Gandhi, wurde die ideale Besetzung gefunden.
In der Diskussion mit der Intendantin zum poetischen Ballett PEER GYNT mit der Musik von Edvard Grieg wurde deutlich, dass eine Ballettproduktion eine sehr komplizierte und aufwändige Arbeit ist. Deshalb sind nicht so viele Ballettproduktionen im Jahr möglich. Anders als bei einem Aktballett müssen außerdem die Tänzer:innen bei einem Handlungsballett wie Peer Gynt in eine Rolle schlüpfen und tanzen nicht sich selbst. Dies stellt andere Ansprüche an die Company.
Handlungsballette sind beim Publikum sehr beliebt, und natürlich spielen auch ganz pragmatische Fragen wie „Wie bekomme ich das Haus voll? Welche Stücke mag das Publikum?“ eine Rolle bei der Auswahl des Programms. Berman betont, dass Hannovers Publikum sehr offen, neugierig und vor allem ehrlich in seiner Rückmeldung sei, so dass man schnell merkt, was gut ankam und was nicht. Auf die Frage eines Schülers, welche Bedeutung die Tür im Stück hatte, antwortet Berman nur mit einem verschmitzten Lächeln: „I don’t know…“
Bei der kurzen Oper DER BAJAZZO ist den Schüler:innen vor allem das Verschmelzen der Grenzen von Fiktion/Spiel und Realität aufgefallen. Diese ist nicht nur im Werk selbst zentrale Thematik, sondern wurde auch dadurch umgesetzt, dass einige Darsteller:innen aus dem Publikum heraus aufgetreten sind und auch der Publikumsraum als erweiterte Bühne genutzt wurde. Laura Berman erklärt, dass es die Aufgabe eines jeden Zuschauenden ist zu entscheiden, wo das Spiel beginnt und wo die Realität endet. Das Spiel mit der vierten Wand wird bewusst als Stilmittel verwendet.
Eine Schülerin merkt an, dass ihr besonders das Ende der Oper in Erinnerung geblieben ist, bei dem Nedda von Canio getötet wird und alle zu diesem Femizid applaudieren, der als solcher aber gar nicht mehr weiter thematisiert wird. Gerade in der heutigen Gesellschaft, in der Femizide auch oft tabuisiert oder verschwiegen werden, sei ihr dieses Opernende doch sehr im Bewusstsein geblieben. Berman betont, dass der Regisseur bewusst die gesellschaftskritische Fragestellung provoziert „Worüber applaudieren wir hier eigentlich?“
Die meisten Fragen wurden zum Musical CHICAGO gestellt, das als zuletzt gesehene Produktion noch am besten in Erinnerung geblieben ist. Wie Theresa Krokauer einführend erwähnte, passt das Motto „The show must go on“ besonders gut zum Musical und ist auch nach wie vor ein Spiegel unserer heutigen Gesellschaft. Besonders interessiert haben die Schüler:innen Details am Bühnenbild, zu den Requisiten, den erforderlichen musikalischen Kompetenzen der Musiker und erneut zur Frauenrolle in der Geschichte.
Im Zusammenhang mit den vielen Treppenstufen wurde beispielsweise die Frage gestellt, wie gefährlich solch ein Bühnenbild für die Darsteller:innen sei. Frau Berman erklärte, dass die Treppen zum Glück so früh fertiggestellt waren, dass allen Proben schon darauf geübt werden konnte. Außerdem gäbe es neben sehr vielen Vorschriften zu Statik, Material etc. auch einen technischen Direktor, der für die Sicherheit auf der Bühne verantwortlich sei. Dies betrifft beispielsweise auch die Waffen, die auf der Bühne verwendet werden.
Ein Schüler fragte, wie es möglich sei, dass das Orchester der Staatsoper, allen voran der Trompeter, so gut in der Lage war, die Jazzmusik zu spielen, die doch vom Stil her etwas ganz anderes sei. Laura Berman erklärte, dass die Musiker:innen heutzutage zum Glück oft sehr versiert in vielen verschiedenen musikalischen Stilrichtungen seien und der Dirigent sogar extra in Berlin mit einem Musicalspezialisten bearbeitet habe, um sich perfekt vorzubereiten.
Im Sängerensemble war ein Mitglied aus dem „klassischen“ Opernensemble dabei, der den Amos so perfekt sang, dass gar nicht auffiel, dass er eigentlich kein ausgebildeter Musicalsänger war. Einer Schülerin ist besonders der Song in Erinnerung geblieben, in dem die Frauen im Gefängnis berichten, wie sie jeweils ganz „unabsichtlich und versehentlich“ ihre Männer umgebracht haben, eine eigentlich nicht lustige, aber doch lustig dargestellte Szene. Laura Berman erläutert hierzu, dass an dieser Stelle zur Geltung kommt, was sie am Musical so liebt: die Gesellschaftskritik. Musical sei „Musical Comedy“, und eine Komödie übt schon seit ihrem Ursprung in der Antike Kritik an der Gesellschaft, und in dieser Szene kommt auf grotesk-lustige Art die Wut der Frauen darüber zum Ausdruck, in welch eine Rolle sie in der von Männern dominierten Gesellschaft gezwungen wurden.
Chicago belegte übrigens Platz eins bei der Wahl zu Aufführung der Spielzeit unter den Schüler:innen, dicht gefolgt von Peer Gynt. Zwei Stücke (Maria de Buenos Aires und The Greek Passion) folgen noch.
Mit leuchtenden Augen bedankt sich Laura Berman abschließend für die tollen Fragen bei den Schüler:innen und betont, dass dieses jährliche Treffen und der intensive Austausch mit den Jugendlichen immer eines ihrer Highlights gewesen sei. Die GFO bedankt sich an dieser Stelle auch noch einmal sehr herzlich bei Laura Berman, dass sie sich immer die Zeit genommen hat, um mit unserem jungen Publikum ins Gespräch zu kommen.
Nicht nur von Laura Berman mussten wir nach diesem Intendantinnentreffen Abschied nehmen. Es war auch das letzte Intendantinnentreffen, das von Dr. Stephan Schmidt geleitet wurde. Stephan Schmidt hat mit großem Engagement in den vergangenen zehn Jahren „Tatort Oper“ betreut und organisiert und damit vielen Schulen und Schüler:innen die Teilhabe an der Opernwelt ermöglicht. Stephan Schmidt organisiert in diesem Jahr noch das große 40. „TATORT OPER“-Jubiläum und übergibt den Staffelstab dann an Theresa Krokauer, die künftig die Leitung des Projekts innehat. Danke Stephan für deinen langjährigen Einsatz und deine tolle Arbeit.
Stephan Schmidt und Theresa Krokauer wiesen zum Schluss noch einmal auf das anstehende 40. Jubiläum von Tatort Oper hin, das am 11. Mai mit einer Vernissage mit Ausstellungsobjekten der Schüler:innen zu den in dieser Spielzeit gesehenen Inszenierungen gefeiert wird.
Schulen, die an TATORT OPER teilnehmen möchten, können sich per E-Mail an theresa.krokauer@rhshannover.de wenden.