6. Sinfoniekonzert „Durchbruch“: voller Feuer und Lebensfreude

Drei wunderbar lebendige und romantische Stücke standen auf dem Programm des sechsten Sinfoniekonzerts der Spielzeit 2024/25 am 27. April 2025. Für zwei Komponisten waren die Werke Durchbrüche in neue musikalische Lebensabschnitte. Mit 24 Jahren komponierte Richard Strauß die sinfonische Dichtung „Don Juan“, die sofort ein internationaler Erfolg wurde und seinen Ruf als führender Komponist begründete. Das 1. Klavierkonzert von Johannes Brahms, 1859 in Hannover uraufgeführt, war das erste Orchesterwerk des jungen Komponisten. Es brauchte allerdings einige Zeit, um sich endgültig durchzusetzen. Antonín Dvořák hatte seinen Durchbruch zum Erfolg schon geschafft, als er seine vor Ideen übersprudelnde 8. Sinfonie schuf. Wir erlebten einen farbenfrohen, glutvollen, spannenden Abend, großartig umgesetzt durch Orchester, Dirigenten und Solisten.

Schlussapplaus beim 6. Sinfoniekonzert der Spielzeit 2024/25. Foto (c): Achim Riehn

Das Niedersächsische Staatsorchester wurde bei diesem Konzert geleitet von Yi-Chen Lin. Die junge aufstrebende Dirigentin wurde in Taiwan geboren und absolvierte ihre musikalische Ausbildung in Wien als Pianistin, Geigerin und Dirigentin. Von 2020 bis 2023 war sie an der Deutschen Oper Berlin Kapellmeisterin. Inzwischen dirigiert sie weltweit in Opernhäusern und auf Konzertbühnen.
Im „Don Juan“ zeichnet Richard Strauß Episoden aus dem Leben dieses Lebemanns und Verführers musikalisch nach. Zu Beginn betritt ein lebenslustiger Held die Bühne, auftrumpfend und voller Überschwang. Lyrische Passagen, durchzogen von Melodien der Solovioline, wechseln sich mit glutvollen Abschnitten ab und lassen uns das Liebesleben des Helden musikalisch miterleben. Das ist sehr abwechslungsreich, nach jedem lyrischen Liebeswerben zieht Don Juan voller Übermut und Lebensfreude weiter. Prächtig erheben sich die Juan-Themen in der abschließenden Kampfszene. Zuerst klingt das noch optimistisch und triumphierend, aber dann stirbt Don Juan im Kampf.  Die Musik verdämmert, in einigen dumpfen Akkordstößen haucht Don Juan sein Leben aus.
Das Orchester unter Yi-Chen Lin verwandelte diese Musik in so etwas wie einen Feuersturm. Das loderte, brannte, stürmte. Groß dazu die Kontraste der lyrischen Stellen. So wurde ein bezwingendes Porträt von Don Juan gestaltet, ein überschwänglicher Mensch, voller innerer Gegensätze, zu allem fähig.
Das Klavier als Dialogpartner, nicht als im Licht stehender, prunkender Solist – das ist für mich das Besondere und Hervorstehende an diesem wunderbaren Klavierkonzert Nr. 1 von Johannes Brahms. Am Klavier hörten wir den belgischen Pianisten Denis Kozhukhin. Im Jahr 2010 gewann er den Königin-Elisabeth-Wettbewerb in Brüssel, danach trat er als Solist weltweit mit renommierten Orchestern auf.
Außerordentlich dramatisch beginnt der erste Satz. Dann wird es melodischer, eine lange Orchestereinleitung folgt, schließlich kehrt die Dramatik wieder. Fast ohne Orchesterbegleitung setzt ganz sanft und fast besänftigend das Klavier ein und nimmt die Motive der Einleitung auf. Sehr romantisch treten Klavier und Orchester in einen Dialog. Die Themen werden gemeinsam verarbeitet, Dramatik und Lyrik wechseln sich ab.
Das war ja ein „Don Juan Teil 2“, sehr verblüffend drängte sich mir der Eindruck nach dem Hören dieses ersten Satzes auf. Don Juan sitzt hier am Klavier, Feuersturm und Lyrik wechseln sich ab. Denis Kozhukhin setzte sein Instrument in Brand, kostete aber auch die ruhigen Stellen aus – und das Orchester ging mit. Ganz wunderbar!
Zu Beginn des zweiten Satzes stellt das Orchester das Thema vor, sehr sanft, fast tröstlich, gebetsartig. Das Klavier setzt ein und wieder wird ein Dialog begonnen. Der Satz ist ein miteinander Musizieren, von der Stimmung her ein Abendgesang. Die Musik gewinnt dann an Dramatik und wird emotionaler. Der Satz endet wieder in der gebetsartigen Stimmung des Beginns, das Thema wird ganz rein wieder aufgenommen.
Sehr innerlich und fast melancholisch wurde dieser Satz von Orchester und Solisten gestaltet, der Kontrast zum ersten Satz war herrlich. Um nah am Don Juan zu bleiben: ein Satz voller liebevoller Erinnerungen.
Energisch und vorantreibend ist der dritte Satz. Klavier und Orchester konzertieren sehr abwechslungsreich und lebendig miteinander. Der Schluss ist dann so auftrumpfend, wie ein Schluss eines romantischen Klavierkonzertes sein sollte.
Dieser fast fröhliche dritte Satz war dann der passende Ausklang, Feuer und Erinnerungen weichen einfach der Lebensfreude. Wunderbar harmonisch sangen Denis Kozhukhin und das Orchester die Melodien. Ich merkte, wie die ganze Zeit mein Fuß mitwippte. Das war eine bezwingende Interpretation dieses Klavierkonzerts!
Mit der 8. Sinfonie von Antonín Dvořák hörten wir an diesem Abend dann nach der Pause das dritte klangschöne Stück Musik. Für mich ist diese Sinfonie voll mit außerordentlich bildhafter Musik. Auch hier setzten Yi-Chen Lin und das prachtvoll aufspielende Niedersächsische Staatsorchester das wunderbar lebendig und gleichzeitig präzise um.
Ruhig und ein bisschen melancholisch beginnt der erste Satz. Dann wird die Stimmung beschwingter, munterer, Aufbruchsstimmung herrscht. Beide Stimmungen mit ihren gesanglichen Melodien wechseln sich ab. Eine fast etwas triumphierende, auftrumpfende Fröhlichkeit trifft auf so etwas wie einen Choral. Sind wir in einer Kirche bei einer Hochzeit? Mit einer festlichen Schlusssteigerung endet der Satz.
Das war an diesem Abend eine Darbietung voller Schwung und Energie, herausragend – wie in der ganzen Sinfonie – die Holzblasinstrumente.
Der zweite Satz ist ein ruhiges, träumerisches Adagio, voll mit in sich verlorener Musik voller Innerlichkeit. Der Mittelteil ist heiterer und lichter, es ist, als ob ein Vorhang aufgezogen worden ist. Es klingt wie die Musik zu einem Dorffest, wird dann fast feierlich festlich. Dann wird die Musik wieder ruhiger, aber es ist eine andere Ruhe als zu Beginn des Satzes. Fast etwas bedrohlich klingende Akkorde sind zu hören. Es klingt, als ob etwas Ungebetenes, Gefährliches vor der Tür steht. Ich musste an die dunklen sinfonischen Dichtungen des Komponisten denken. Träumerisch geht es dann aber weiter, die Bedrohung ist verschwunden.
Sehr stimmungsvoll gestaltete Yi-Chen Lin diesen Satz, träumerisch, beinahe wie eine  Meditation. Die einkomponierten Vogelstimmen habe ich selten so deutlich gehört!
Wunderbar tänzerisch und wiegend ist der dritte Satz. Wir hören einem liebevollen und zugewandten Tanz zu. Ich hatte sofort den Tanz des Hochzeitspaars im Kopf.
Auch dieser Satz klang an diesem Abend so lebendig, dass ich in meinem Sitz beinahe mittanzte. Das Mitsummen der Melodien konnte ich gerade noch unterdrücken!
Mit einer Trompetenfanfare beginnt der vierte Satz. Dann folgt eine sehr gesangliche Melodie, die in einer Reihe von Variationen weiterentwickelt wird. Die Melodie erscheint in immer neuem Licht. Abgelöst wird das von einem fast marschähnlichen Mittelteil, der die Stimmung und Rhythmik der Fanfare aufnimmt, die dann auch zum Schluss erscheint. Die Variationenfolge kehrt wieder, diesmal aber ganz ruhig und zurückgenommen. Die Sinfonie wird dann mit einer strahlenden, triumphierenden Variation beendet.
Faszinierend wurden die großen Kontraste in der Musik hier herausgearbeitet. Wieder wurde ich ein bisschen an die Stimmung des „Don Juan“ erinnert. „Don Juans Abenteuer“ wäre auch ein passendes Motto für diesen Abend gewesen!
Es gab sehr großen, begeisterten Beifall zum Schluss. Das war auch mehr als verdient. Diese feurige und lebendige Musik liegt dem Orchester offensichtlich. Ich hatte auch den Eindruck, dass Yi-Chen Lin und das Orchester gut miteinander harmonierten. Ich würde mich darüber freuen, diese Dirigentin mit diesem Orchester wieder einmal zu erleben!
Text: Achim Riehn
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