Opernbesuche und Probenbesuche, das kannte ich schon. Aber bei einem Meisterkurs des Internationalen Opernstudios zuzuschauen und zuzuhören, das war eine neue, faszinierende Erfahrung. Intendantin Laura Berman begrüßte uns, dann ging es los. Ich saß im Parkett, in der ersten Reihe, eine gute Platzwahl! Jedes Detail konnte ich so verfolgen.
Die Sopranistin Barbara Frittoli war zu einem mehrtägigen Meisterkurs nach Hannover gekommen, um intensiv mit den Mitgliedern des Internationalen Opernstudios der Oper zu arbeiten. Barbara Frittoli trägt den Titel der Österreichischen Kammersängerin, sie sang bereits an Opernhäusern wie der Metropolitan Opera, der Wiener Staatsoper und der Opéra National de Paris und mit Dirigenten wie Claudio Abbado und Riccardo Muti. Zu ihren Paraderollen gehören die Desdemona (Otello) und die Fiordiligi (Così fan tutte).
Wie arbeitet so eine erfahrene Sängerin mit jungen Sängerinnen und Sängern? Wie vermittelt sie ihr Wissen, wie kommuniziert sie es? In diesen anderthalb Stunden bekam ich da wunderbare Einblicke. Barbara Frittoli ist eine einfühlsame und humorvolle Lehrerin, die aber ganz genau auf jedes kleine Detail achtet. Für mich als Nichtsänger gab es da interessante Erkenntnisse. Eine schöne Stimme allein reicht nicht, man muss auch die Technik besitzen, sie in einer Oper vor Publikum perfekt zeigen zu können. Man muss auch mit dem Lampenfieber umgehen können. Eine schöne Stimme allein reicht nicht, man muss auch die Emotion des Textes und der Opernsituation vermitteln können. Ohne das ist eine Stimme nur ein Instrument.
Heute ging es um Mozart und Verdi. Mit Weronika Rabek (Mezzosopran) und Peter O‘Reilly (Tenor) arbeitete Barbara Frittoli an Arien aus Mozarts „La clemenza di Tito“,
mit Petra Radulovic (Sopran) an Arien aus Mozarts „Le nozze di Figaro“. Bei Darwin Prakash (Bariton) war eine hochemotionale Arie aus Verdis „Falstaff“ das Thema.
Mozarts Musik klingt so leicht, aber hier im Unterricht zeigte sich, wie schwierig sie in Wirklichkeit ist. Emotionale Bedeutungsvarianten zeigen sich in kleinsten musikalischen Abtönungen, das müssen Sängerinnen und Sänger herausarbeiten. Hier geht es um musikalische Ausdeutung, dazu muss man die Situation rings um diese Arie verinnerlicht haben. Diese Details sind nicht nur für die Arien, sondern auch für die Rezitative bei Mozart wichtig. In der kleinen Einleitung sagte Pianist Francesco Greco, das auch daran in den vergangenen Tagen intensiv gearbeitet wurde. Aber es ging heute nicht nur um Ausdruck, Barbara Frittoli wies immer wieder auf leicht verkrampfte Körperhaltungen, Atemtechnik und ähnliche Dinge hin. Freundlich ließ sie selbst kleinste musikalische Phrasen wiederholen, sang die Stellen verdeutlichend vor. Selbst ich als Laie konnte hören, wie sich der Klang veränderte.
Spannend war dann der Unterschied zur Musik Verdis. Hier liegt die Emotion viel deutlicher offen, das muss auch mit anderen Mitteln gesungen werden. Die Arie des Ford „È sogno? o realtà“ war dafür ideal geeignet. Stimmungen schwanken hin und her, alle diese Wendungen muss der Sänger so darbieten, dass man das als Publikum versteht, ohne den Text zu benötigen. Wieder war es außerordentlich interessant, hier der Detailarbeit zuzuhören.
Das waren sehr faszinierende anderthalb Stunden. Wenn das nächste Mal so eine öffentliche Meisterklasse stattfindet, bin ich auf jeden Fall wieder dabei. Auch als Nichtsänger kann man eine Menge mitnehmen. Dazu noch ist man hochbegabten Sängerinnen und Sängern bei ihrer Arbeit so nah wie selten. Es macht Spaß, zuzuhören und zuzuschauen!
Achim Riehn