Im Jahr 1977 wurde die GFO gegründet. Egon Behrens hat die Mitgliedsnummer „2“, ist inzwischen 95 Jahre alt. Ich hatte die Freude, ihn in seiner Wohnung voller Bücher zu besuchen, Tee mit ihm zu trinken und mich mit ihm über Musik und Kultur zu unterhalten.
Wie wird man zu einem der sieben Gründungsmitglieder einer Gesellschaft der Freunde des Opernhauses Hannover? Diese Geschichte ist so schön, dass sie unbedingt erzählt werden muss. Sie ist geprägt von der Liebe zur Musik, insbesondere zur 7. Sinfonie von Anton Bruckner.
Zuerst die Vorgeschichte dazu. 1951 wurde Egon Behrens von einem Kollegen seines Vaters, Cellist beim Sinfonieorchester des NWDR, zu einer Probe von Bruckners 7. Sinfonie mitgenommen. Es dirigierte Carl Schuricht, es war eine großartige Interpretation. Dieser Eindruck blieb ihm als Idealbild dieser Sinfonie immer im Gedächtnis. Jahre später besuchte er mit seinen Söhnen eine Aufführung dieser Sinfonie, zweimal, jeweils mit einem seiner Söhne. Es dirigierte hier George Alexander Albrecht. Dabei kam er mit einer Frau in der Reihe neben sich ins Gespräch, die offenbar auch beide Male dabei war. Sie sprach ihn an, weil sie es toll fand, dass er seine Söhne so an die Musik heranführte. In diesem Gespräch sagte dann Egon Behrens, dass diese Interpretation der Sinfonie lange nicht so gut gewesen wäre wie die von Carl Schuricht. Die Frau stellte sich als Ehefrau von George Alexander Albrecht heraus. Aus diesem Kontakt ergab sich dann eine Einladung zum Abendessen, eine lebenslange Freundschaft mit den Albrechts entstand.
Im Jahr 1977 hatte eine Gruppe um Bernhard Sprengel, Schokoladenfabrikant und bedeutender Kunstsammler, die Idee zur Gründung einer Gesellschaft der Freunde des Opernhauses. Hintergrund war, in jeder Saison ungefähr vier besondere Opernabende zu organisieren und zu finanzieren, in denen hochkarätige Solisten auftreten sollten. George Alexander Albrecht stand dem wohlwollend, aber doch etwas kritisch gegenüber. Er hatte die Befürchtung, dass diese Gesellschaft zu viel Einfluss nehmen könnte auf das Programm des Opernhauses. Er bat daher Egon Behrens, bei der Gründung dieser Gesellschaft teilzunehmen und „das im Auge zu behalten“. Und so geschah es, Egon Behrens gehörte zu den Gründungsmitgliedern, mit der Mitgliedsnummer „2“.
Die GFO wuchs und gedieh, es gab Unterstützung für Produktionen, in künstlerischen Fragen und in Personalfragen verhielt sie sich neutral und mischte sich nicht ein. Der Start der GFO war nicht ganz einfach, weil der Aufsichtsrat der Niedersächsischen Staatstheater erhebliche Vorbehalte hatte gegen eine „elitäre Organisation“, die für das Bildungsbürgertum besondere Veranstaltungen organisieren würde. Aber diese Vorbehalte konnten allmählich abgebaut werden. Die GFO sollte begleitend sein und keinen Einfluss nehmen, daran hat sie sich gehalten. Aber Oper, Konzert, Musik sind nicht elitär, sie gehören zu den Grundbedürfnissen, die unterstützt werden müssen.
Es gab zu wenig Sinn für Kultur, die GFO wollte hier unterstützen. Für Egon Behrens ist diese Absicht immer noch wichtig. Offenbar hatte damals niemand in den Aufsichtsgremien der Niedersächsischen Staatstheater die Vision, die Oper an die Spitze zu führen. Es herrschte immer die Haltung vor, die Oper klein zu halten und auf keinen Fall in Konkurrenz mit „größeren Häusern“ zu treten. Niemand hatte den Ehrgeiz, die Oper in die erste Reihe zu bringen. Herr Behrens und ich waren uns einig, dass dies eine ganz unverständliche Haltung war. Man muss sich nicht künstlich klein halten – aber vielleicht ist dies ein Teil der niedersächsischen Mentalität. Diese Haltung führte auch dazu, dass immer wieder über die Finanzierung des Staatstheaters gestritten wurde. Dies ist auch heute noch so, aber der Blick auf die Oper hat sich doch etwas geändert. Es wird nicht mehr grundsätzlich abgelehnt, dass man an die Spitze will.
Herr Behrens hat an die Intendanten und GMDs nur gute Erinnerungen. Besonders schlechte Vorstellungen sind ihm nicht im Gedächtnis (aber vielleicht ist er hier nur höflich). Herausragend fand er den „Troubadour“ in der Inszenierung von Calixto Bieito. Dieser Troubadour hat damals einen Skandal ausgelöst, es war zu radikal für den konservativen Teil des Publikums. „Hänsel und Gretel“ war auch immer ein Muss. Aus der neueren Zeit findet er die „Traviata“ in der Inszenierung von Benedict von Peter herausragend.
Wir unterhielten uns dann intensiv über Musik. Herr Behrens weiß da interessant und amüsant zu erzählen. Es ist ein Vergnügen, ihm zuzuhören. In seinem langen Leben hat er an vielen bemerkenswerten Musikmomenten teilgenommen. Besonders in Erinnerung ist ihm ein Konzert 1944 mit Musik von Schubert in den Siemenshallen in Berlin geblieben. Es dirigierte Wilhelm Furtwängler, es war ein bewegendes Erlebnis. Auch die erste Opernaufführung nach dem Kriege in Hannover im Galeriegebäude ist ihm in Erinnerung. Es wurde der „Fidelio“ von Beethoven gegeben. Mittendrin konnte das Orchester nicht weiterspielen, weil es von seinen Emotionen übermannt wurde. Befreiung aus Tyrannei, es erinnerte sie zu sehr an ihre eigene Situation. Bei den Vorstellungen im Galeriegebäude mussten übrigens die ersten Reihen für Angehörige der englischen Garnison frei bleiben, vor jeder Vorstellung wurde die englische Nationalhymne gespielt.
Aus gesundheitlichen Gründen ist es Egon Behrens nicht mehr möglich, Opernaufführungen und Konzerte zu besuchen. Sein Premierenabonnement an der Oper Hannover hat er noch, die Karten werden aber verschenkt. Seine Liebe zur Musik hat er offenbar an seine Söhne und Enkelkinder weitergegeben, es gibt inzwischen mehrere Flügel in der Familie. Einer der Söhne ist ein ausgewiesener Kenner der Musik von Bob Dylan. „Mein Glück sind meine zwei Kinder und meine acht Großkinder“. Trotz aller gesundheitlichen Einschränkungen ist Egon Behrens mit sich und seinem Leben im Reinen.
Egon Behrens ist es immer noch wichtig, dass die in den 70er Jahren in die Tat umgesetzte Idee einer Gesellschaft, in der die Freundinnen und Freunde der Staatsoper Hannover gemeinschaftlich die künstlerische Arbeit an unserem Opernhaus erleben und fördern, fortlebt. Auf fast 50 Jahre Vereinsgeschichte kann die GFO inzwischen zurückblicken und schaut gleichzeitig immer nach vorn: Verbunden durch unsere Begeisterung für das Musiktheater setzen wir uns dafür ein, dass dieses wertvolle Kulturgut gepflegt und an die nachfolgenden Generationen weitergegeben wird.
Zum Schluss hörten wir in der „Digital Concert Hall“ in den ersten Satz der 7. Sinfonie von Bruckner herein. Sergiu Celibidache dirigierte die Berliner Philharmoniker 1992 zum ersten Mal seit 38 Jahren wieder. Solche Klarheit war genau der richtige Abschluss für einen Nachmittag, der wie im Fluge verging.
Achim Riehn