Dieses fast intime Konzert hat richtig Spaß gemacht. Die fünf Mitglieder des Internationalen Opernstudios der Staatsoper hatten zusammen mit Francisco Greco, dem künstlerischen Leiter des Opernstudios, ein Programm erarbeitet, um sich dem hannoverschen Publikum vorzustellen.
Der Ballhof war eingerichtet wie ein Wohnzimmer, ein Flügel, ein Kronleuchter, zwei Sessel, ein Tisch, sanftes Licht, eine Wohlfühlatmosphäre. Laura Berman, Intendantin der Oper, und Francisco Greco begrüßten das Publikum und führten ins Programm ein. Der Abend sollte abwechslungsreich und vielseitig gestaltet sein. Dazu hatte jedes der Mitglieder des Studios zwei Lieder vorbereitet, eins aus ihrer Heimat, eins aus dem internationalen Opernrepertoire, begleitet von Francisco Greco am Flügel. Dazu kamen noch einige bekannte Duette, sozusagen die Sahnehäubchen zum Mitsingen. Verbunden wurden die Auftritte jeweils durch kleine Gespräche, die Laura Berman und Francisco Greco mit den Sängerinnen und Sängern führten.
Das Programm war so interessant, dass die Zeit wie im Flug verging. Geboten wurde uns Gesang auf hohem Niveau, alle fünf Mitglieder des Studios werden ihren Weg machen. Eigentlich müsste man auf jeden Titel eingehen, ich will mich aber auf einige Highlights beschränken.
Peter O‘Reilly begeisterte mich mit dem irischen Lied „Macushla“ von John McCormack. Hier kam sein hoher, lyrischer Tenor wunderbar zur Geltung. Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie ein Bodybuilder-Typ wie Peter O‘Reilly in seinem Gesang und seiner Ausstrahlung so verletzlich und unschuldig wirken kann. Ich sehe ihn schon als Ferrando in „Cosí fan tutte“ vor mir.
Die Mezzosopranistin Beatriz Miranda ist neu im Opernstudio. Sie hat eine wohltönende, sehr wandlungsfähige Stimme. Ihr „A Sulamita“ von Luís Maria da Costa de Freitas Branco beglückte mit zauberhaften Klangfarben und viel Ausdruck. Beatriz Miranda hat in Berlin studiert, aber sich sofort mit Hannover angefreundet. Ihr Satz „Hier sind die Menschen so viel freundlicher als in Berlin!“ gewann natürlich noch zusätzlich das Publikum.
Zum Staunen brachte mich Jakub Szmidt mit seiner Bassarie „Ten Zegar Stary“ von Stanisław Moniusko. Bei einem so jungen Menschen so eine tiefe, ausdrucksstarke Bassstimme zu hören ist schon wunderbar. Auch in Mimik und Ausgestaltung war das schon hervorragend. Mit „La Calunnia“ aus dem Barbier von Sevilla bestätigte er diesen Eindruck voll und ganz.
Petra Radulović berührte mein Herz mit „Niz bašču mi potok teče“ von Milan Prebanda. Mit „Meine Lippen, sie küssen so heiß“ von Frank Lehár zeigte sie dann weitere Vorzüge ihrer Stimme. Ihr lyrisch-silbriger, beweglicher Sopran ist für mich wie geboren für große Operettenrollen. Auch als Despina kann ich sie mir sehr gut vorstellen.
Lluís Calvet i Pey ist aus Barcelona neu zu uns gekommen. An das Winterwetter hier muss er sich erst gewöhnen. Er besitzt einen klare, ausdrucksstarke Baritonstimme, die auch zu höheren Tönen fähig ist. Sein „Avant de quitter ces lieux“ aus „Faust“ von Gounod zeigte sein beachtliches Können und seine schöne Stimme.
Zeigten diese Soloauftritte alle Vorzüge der einzelnen Stimmen, so zeigten die Duette, wie gut das auch zusammen funktioniert. Lluís Calvet i Pey und Jakub Szmidt rissen das Publikum mit einem hinreißenden „Cheti cheti immantinente“ aus „Don Pasquale“ von Donizetti mit. Francesco Greco erläuterte, dass dies für die Beiden eine Herausforderung war, diese Art von halsbrecherischem Gesang war für sie neu. Mit „Au Fond du temple saint“ aus den Perlenfischern begeisterten Peter O‘Reilly und Lluís Calvet i Pey. Heller Tenor und maskuliner Bariton vereinigten sich perfekt. Petra Radulović und Beatriz Miranda machten aus dem Wunschkonzert-Evergreen „Sous le dôme épais“ ein kleines Kunstwerk, ohne Schmalz, mit perfektem Zusammenklang.
Der Beifall war groß, genauso wie für das mitreißende Schlussquintett „Eh! Facciamo da buoni amici“ aus „Un Giorno di Regno“ von Verdi. Das war wirklich ein Abend zum Hinhören und Wohlfühlen. Es ist schön, begabte Sängerinnen und Sänger zu Beginn ihrer Karriere mal in so einem intimen Rahmen zu hören. Nach dem Konzert konnte man alle Beteiligten bei einem „Meet and Greet“ im Foyer treffen, mit ihnen plaudern, sie ausfragen. Gern mehr von solchen Veranstaltungen! Es war schade, dass das Konzert nicht ausverkauft war. Aber da kann ich nur sagen „selbst Schuld“! Wer nicht da war, der hat einen wunderbaren Abend verpasst. Den nächsten Abend dieser Art sollte man aber NICHT verpassen!
Achim Riehn