Ein Besuch einer Konzertprobe: Exklusiv für GFO-Mitglieder. Kostenfrei und ohne Eintrittskarte. Das ist eine der Möglichkeiten, für die sich die Mitgliedschaft in der GFO lohnt. Am 25. September hatten Mitglieder Gelegenheit, bei einer Probe für das nächste Sinfoniekonzert des Niedersächsischen Staatsorchesters dabei zu sein.
Schon das Hineingehen in den Probenraum in der Bultstraße hat etwas von einem Geheimnis. Der Eingang ist unscheinbar in einem Hinterhof. Drinnen gelangt man dann in labyrinthische Kellergänge hinein. Rechts und links führen Gänge und Türen in kleinere Probenräume für die einzelnen Instrumentengruppen. Töne erklingen aus allen Richtungen, freundliche schauende und entspannt wirkende Musikerinnen und Musiker begrüßten uns im Vorbeigehen. Dann geht es wieder eine Treppe herauf, das Foyer ist erreicht, dahinter liegt der holzverkleidete Probensaal.
Für uns GFO-Mitglieder waren Plätze gleich links vom Eingang an der Wand eingerichtet. Weit weg von den lauten Posaunen, Trompeten und Pauken, dachte ich. Aber wir hatten die Hörner gleich neben unserer Sitzreihe. Ein Posaunist probte gerade für sich koloraturartige Skalen. Ein Horn so in vier Meter Entfernung ist auch richtig laut!
Langsam kamen immer mehr Mitglieder des Orchesters herein, alle in ganz ziviler Kleidung, fast alle mit einem Lächeln im Gesicht. Für mich machte das den Eindruck einer erwartungsvollen und trotzdem freundlich-entspannten Stimmung unter den Musikerinnen und Musikern. Ein Gewimmel von Tönen erklang von allen Seiten, ich fand mich in einem musikalischen Ameisenhaufen wieder. Eine Violinistin holte noch eine Packung mit Ohrenstöpseln für sich.
Pünktlich auf die Sekunde um 17:30 herrschte plötzlich Stille, das Orchester stimmte ihre Instrumente, dann ging es los. Stephan Zilias probte die 3. Sinfonie von Bruckner, den Finalsatz. „Das wird für mich jetzt die totale Erholung, ich hatte den ganzen Nachmittag Kindergeburtstag!“, sagte er lachend.
Es ist kaum in Worte zu fassen, wie spannend und faszinierend das für mich als musikinteressierten Gast war. Stephan Zilias versteht es unglaublich farbig und anschaulich, den Kern der Musik in so einer Probe offenzulegen. Er schildert, was gerade passiert und wie es der Komponist gemeint haben könnte, wie das zu interpretieren ist – und plötzlich blickt man hinein in das Geheimnis der gespielten Musik. Ganz wunderbar!
Ich kann nur einige dieser tiefen Einsichten in die Musik hier schildern. Ich bemühe mich, so nahe wie möglich am Originalton von Stephan Zilias zu bleiben. Die Streicher spielen zu Beginn etwas „wie eine Idee, die einen nachts nicht schlafen lässt, wie ein Spuk“. Dann beginnt so etwas „wie eine langsame, süße Polka“. Dazu kommt ein Choral in den Blechbläsern. „Dort das Wirtshaus, hier die Kirche, beides übereinander“. Das ist „so unscheinbar auf dem Papier, aber da stecken Welten drin“. „Die Blechbläser beenden den Choral mit einem auskomponierten Amen“. An eine Stelle müssen die Hörner klingen „wie ein beruhigender Vater, der uns die Sünden erlässt“. Und an einer anderen, komplexen Stelle sollten „die Geigen so verrückt wie möglich“ spielen, „möglichst gaga muss das sein“.
Das war ein unglaublich konzentriertes Arbeiten. Stephan Zilias gab genaue Lautstärkeangaben für lange Passagen, für lange Steigerungen. Ich bewunderte die Musikerinnen und Musiker, die das alles genau aufnahmen. Ich bemerkte wieder, das es bei einer solchen Probe von Profis nicht darum geht, alles richtig zu spielen. Das können die wahrscheinlich im Schlaf. In der Probe geht es um Abstimmungen, um feinste Details, es geht um das Entwickeln einer gemeinsamen Interpretation. Es geht um Transparenz und um Durchsichtigkeit. Es war faszinierend, wie sich das so vor uns entwickelte. Es war auch faszinierend zu hören, wie laut ein Sinfonieorchester klingt, wenn man direkt daneben sitzt!
Maximal 25 Personen können an so einer Probe als Gast teilnehmen. Man muss also schnell sein bei der Anmeldung. 90 Minuten lang wird man mitgerissen in die Musik und das Geheimnis dieser Musik. Es lohnt sich, für mich ist so ein Probenbesuch jedes Mal ein unglaublich beglückendes und inspirierendes Ereignis.
Text: Achim Riehn