Die „Kostprobe“ ist ein neues Angebot der Oper – die Teilnahme an einer Probe für ein neues Stück, dazu gibt es ein Vor- und ein Nachgespräch. Wer schon einmal bei so einer Probe zugeschaut hat, der weiß, wie spannend das ist. Karten konnten für zehn Euro gekauft werden, für Mitglieder der GFO gab es ein zusätzliches, kostenfreies Kontingent an Karten.
Der Marschnersaal war voll gefüllt, dieses neue Angebot stieß erfreulicherweise auf großes Interesse. Nach einem Grußwort der GFO-Vorsitzenden Johanna Paulmann-Heinke (die GFO fördert diese Inszenierung) begrüßte Chefdramaturgin Regine Palmai das Publikum und wartete gleich mit einer Überraschung auf. Der Probenablauf hatte sich kurzfristig geändert. Heute gab es keine Bühnenorchesterprobe wie geplant, sondern die Klavierhauptprobe. Wir würden also einen schon zu großen Teilen fertigen Ablauf sehen, dazu mit Kostümen, Bühnenbild und Requisiten. Alles noch nicht ganz perfekt, aber doch schon nah am Endergebnis, noch ohne Orchester, nur mit Klavier. In der Regel mögen Regisseure bei einer Klavierhauptprobe keine Besucher, Regisseur Stefan Huber machte für uns eine Ausnahme. Dramaturgin Julia Huebner und der stellvertretende Studienleiter Florian Groß gaben dann noch ein paar Erläuterungen zum Stück, bevor wir uns alle ganz leise in die laufende Probe auf der Hauptbühne hereinschlichen. Fast der ganze erste Rang war mit uns Besuchern gefüllt.
Das Bühnenbild machte schon mal einen guten Eindruck, aber ich will nichts verraten (die Welt dreht sich im Dreibühnentakt). Auch die schön bunten Kostüme machten Lust auf große Operette. Es machte Spaß, den Darstellern bei der Probenarbeit zuzuschauen, die schönen Melodien zu hören, die kecken Zwischentexte zu hören und die famosen Tanzeinlagen zu bewundern. Wer Stepptanz liebt, der kommt auf seine Kosten! Das Bühnenbild ist eine echte Herausforderung für die Darsteller, da alles in Bewegung ist. Es gab einen köstlich komischen Moment, als XXX (ich verrate den Namen nicht) dreimal nicht den richtigen Eingang fand. Aber beim vierten Versuch klappte es dann doch. Es wird eine herrlich beschwingte Inszenierung einer Operette mit Ohrwurm-Musik. Die Operettenseligkeit ist durchtränkt mit Swing und Jazz-Anklängen, dies konnte selbst das Klavier allein vermitteln. Alles ist aber auch durchtränkt mit einer gewissen Melancholie – die Hauptpersonen des Stücks sind im Exil im Hotel, so wie es der Komponist Paul Abraham zur Zeit der Komposition auch war.
Mittendrin gab es eine Pause in der Probe, wir blieben sitzen. Es war eine wunderbare Gelegenheit, Regine Palmai mit allen möglichen Fragen zu löchern.Es wurde zum Beispiel klar, wie der gesamte Probenprozess abläuft und was für eine organisatorische Herausforderung das ist. Auch die Nachbesprechung mit Julia Huebner wurde rege für Fragen und Diskussion genutzt.
Die Kostprobe ist ein tolles Angebot, man kann live in der Vorbereitung eines Stückes dabei sein. Wir bekamen einen Einblick in die Komplexität der Abläufe. Opernneulingen nimmt dies mit Sicherheit die Scheu vor einem Opernbesuch. Und es macht Spaß und ist aufregend, mit den Profis hautnah ins Gespräch zu kommen.
Ich freue mich schon auf die nächste Kostprobe. Angekündigt werden sie im monatlichen Programm des Opernhauses. Dann heisst es schnell sein, um eine Karte zu bekommen. Oder pfiffig sein und Mitglied der GFO werden, um Karten aus dem zusätzlichen Kontingent zu ergattern. Wir können dann zuschauen, wie ein Märchen auf der Bühne für uns entsteht.
Hans-Joachim Riehn