Kostproben sind immer spannend, weil es Einblicke gibt in neue Produktionen, bevor sie Premiere haben. Man erfährt in den vor der Probe stattfindenden Vorgesprächen zudem viele Details über die Produktion. Diese Kostprobe aber war etwas ganz Besonderes: Alle Vorstellungen von Piazzollas „Maria de Buenos Aires“ sind bereits vor der Premiere ausverkauft! Ich hatte keine Karte mehr bekommen, diese Probe war demnach die einzige Gelegenheit, etwas davon zu sehen und zu hören.

Maria de Buenos Aires – Raquel Camarinha © JuliaLormis
Auch diese Kostprobe war ausverkauft, im Foyer des Ballhofs drängten sich die Menschen. Im Vorgespräch hatte Dramaturgin Sophia Gustorff den Dirigenten Piotr Jaworski zu Gast. Für Beide ist diese Tango-Oper ein „wunderbares Stück“ und ein besonderes Ereignis. „Maria de Buenos Aires“ hat sich in den vergangenen Jahren zu einem der beliebtesten Musiktheaterwerke der westlichen Welt entwickelt. Allein in den letzten drei Spielzeiten gab es zahlreiche Inszenierungen weltweit. Piotr Jaworski erklärte den Erfolg: „Es ist einfach schöne Musik“. Die in 16 Bilder geteilte Oper hat für ihn „eigentlich keine richtige Geschichte“, alles ist Atmosphäre, alles ist Poesie.
Die Musik geht direkt ins Herz und ist sehr vielfältig. Tango in allen Formen steht im Mittelpunkt, aber es kommen zahlreiche andere Musikformen dazu. Es gibt Walzer, eine Polka, eine Art Passacaglia, eine Fuge, Anspielungen an Kirchenmusik.
Die Vorlage war ein Gedicht eines Dichters aus Uruguay. Die Oper sollte eine Huldigung an Buenos Aires sein, eine Art Portrait dieser Stadt. Es ist ein Stück über Maria, eine junge, naive Frau, die ein besseres Leben will und ins Rotlichtmilieu abrutscht. Das Stück beginnt mit der Beschwörung der toten Maria durch El Duende, der wie eine Art Erzähler durch die Oper führt. Ganz viele Bilder aus Buenos Aires sind in diese Oper verwoben, dazu kommen Symbole der Tangosprache und der katholischen Kirche. Maria ist die Stadtheilige von Buenos Aires. Alles vereinigt sich zu poetischen und fast surrealen Bildern. Das komplexe Libretto ist eine Mischung aus Spanisch und einer in Buenos Aires entwickelten Umgangs(Gauner)Sprache.
In der Musik spielt das Bandoneon eine zentrale Rolle, das den argentinischen Tango prägende Instrument. Das kleine Orchester aus Streichern, Schlagzeug und Flöte wird durch die Gitarre erweitert. Zusammen ist diese Besetzung typisch für das Buenos Aires der Kompositionszeit. Elf Personen sitzen so im Orchestergraben. Der Klang „ist ziemlich speziell“, da teilweise Effekte gefragt sind, die in der klassischen Orchestermusik nicht oft vorkommen.
Nach diesen sehr informativen Vorgespräch sahen wir dann einen Probendurchlauf durch das ganze Stück, ohne Kostüme, schon mit Licht, ohne Übertitel. Diese Probe war dann noch zusätzlich besonders, da Beatriz Miranda, Sängerin der Maria, erkrankt war (gute Besserung!) und die Einspringerin noch im Flugzeug saß. So wurde die Maria auf der Bühne durch eine Regieassistentin (meine Vermutung) markiert und ihr Gesang durch Vokalisen einer der Korrepetitorinnen von der Seite ersetzt. Ganz große Anerkennung für Beide!
Piotr Jaworski hatte nicht zu viel versprochen, die Musik ist wunderbar und magisch. Die Bühne ist eine Art großes, kreisrundes Podest, das als Bartresen, als Tanzpodium und als eine Art weihevoller Raum dient. Dazu kommt eine fahrbare Treppe, die dieses Podium umschließt. Zusammen mit den Lichteffekten erzeigt das auch visuell eine magische Atmosphäre.
Ole Xylander als El Duende war großartig, hinreißend Lluís Calvet i Pey als El Gorrión. Seine Stimme hat sich hervorragend entwickelt, es ist eine Freude, ihn zu hören. Die Tanznummern waren stimmungsvoll und von großer Erotik, ganz toll getanzt von Keren Leiman, Gonçalo Martins da Silva und Francesc Nello Deakin.
Mir tut es richtig weh, dass ich das alles nicht in Vollendung sehen kann. Alle dürfen sich freuen, die Karten haben. Aber ich hoffe ja auf eine Wiederaufnahme! Das darf einfach nicht nach einer Spielzeit vorbei sein!
Text: Achim Riehn
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