Aus dem Lavesfoyer lächelten uns Laura Berman und Stephan Zilias entgegen. Virtuelle Teilnahme über Zoom verleiht solchen Pressekonferenzen etwas Intimes. Es ist fast so, als ob man zusammen in einem Zimmer sitzt. Das Virtuelle war der Pandemie geschuldet, aber es war doch Optimismus zu verspüren, Hoffnung, dass das Leben live auf die Bühne zurückkehren kann.
Die neue Spielzeit ist eine aufregende Mischung aus Neuem und wegen der Pandemie Verschobenem. Das Spielzeitheft wurde parallel zur Pressekonferenz veröffentlicht, ich werde daher hier nur auf einige Highlights eingehen. Eröffnet wird die Saison mit Verdis „Otello“, der eigentlich für die letzte Spielzeit geplant war. Regisseur Immo Karaman hatte uns stattdessen mit „Turn of the Screw“ begeistert. Otello wird in dieser Inszenierung ein Mann aus schwierigen Verhältnissen sein, der sich hochgearbeitet hat, der aus dem Krieg mit psychischen Problemen zurückgekommen ist. An dieser Situation scheitert er schließlich. Der deutsch-brasilianische Tenor Martin Muehle wird in dieser schwierigen Rolle debütieren. Diese Produktion wird übrigens durch die GFO gefördert.
Danach kommt endlich das düster-makabre Musical „Sweeney Todd“ von Stephen Sondheim auf die Bühne. Die sehr aufwändige Produktion war in der letzten Saison schon aufführungsreif, musste aber verschoben werden. Dieses Musical ist ein kritisch-satirischer Blick auf die Gesellschaft, der „Held“ rächt sich für seine ausweglose Situation.
Mozarts „Die Hochzeit des Figaro“ wird dann vom Team um Lydia Steier inszeniert, das schon die famose „La Juive“ auf die Bühne gebracht hat.
Ende Februar kommt dann im Ballhof in deutscher Erstaufführung „Denis & Katya“ zur Premiere. Die deutsche Fassung dieser Geschichte von Romeo und Julia im Instagram-Zeitalter wurde extra für Hannover erstellt. Das Stück zeigt die Wirkungsmacht der Oper in der Sprache der Generation Social Media.
Mitte März kann dann hoffentlich die Uraufführung von „Der Mordfall Halit Yozgat“ von Ben Frost stattfinden. Diese Koproduktion mit dem Schauspiel Hannover sollte im März 2020 Premiere haben, die Arbeit daran musste abgebrochen werden. Diese schwierige Situation wurde dann selbst zum künstlerischen Dokument: Der Film „Der Mordfall Halit Yozgat. Eine Oper unter Quarantäne“ lief erfolgreich online auf verschiedenen Festivals.
Mit Marschners „Der Vampyr“ kommt dann eine Oper mit Hannover-Bezug auf die Bühne: Marschner leitete viele Jahre lang die Oper Hannover. Thema der Oper ist das Außenseitertum, symbolisiert von einem Vampyr in der Gesellschaft. Regie wird Erzdan Mondtag führen, es wird eine sehr originelle, bunte Inszenierung werden. Hier kann laut Laura Berman gezeigt werden, was alle Bereiche der Oper an Handwerk können. Stephan Zilias wird hier dirigieren.
Zu den nächsten beiden Stücken wurde dann Hausregisseurin Barbora Horáková hinzugeschaltet. Wenige Tage vor der Premiere im März 2020 von „Greek Passion“ von Martinu verhinderte die Pandemie eine Aufführung, nun kommt dieses Stück endlich auf die Bühne. Wir können uns auf ein groß besetztes, klangmächtiges Stück freuen, mit vielen Rollen und großem Chor. Es ist eine Oper über die Menschlichkeit und die Kraft der Liebe.
Barbora Horáková wird dann auch „Eugen Onegin“ von Tschaikowsky inszenieren. Im Gegensatz zu „Greek Passion“ ist dies fast intim, ein Kammerspiel für vier Charaktere, ein Kaleidoskop aus Emotionen und Farben. James Newby wird hier in der Titelrolle debütieren.
Mit der Deutschen Erstaufführung von „humanoid“ als Produktion des Internationalen Opernstudios folgt dann ein musikalischer Thriller von Leonard Evers, einem der erfolgreichsten Komponisten für junge Oper unserer Zeit. Ein Roboterkonstrukteur schafft sich die perfekte Frau in Form einer Androidin. Ist das noch Science Fiction oder schon nicht mehr? Auch diese Produktion wird von der GFO gefördert.
Im Ensemble gibt es kaum Bewegung. Zwei Neuzugänge gibt es, Kiandra Howarth, Sopran und im Internationalen Opernstudio Petra Radulović, ebenfalls Sopran. Im Festkonzert zur Spielzeiteröffnung wird Asmik Grigorian zu Gast sein.
Stephan Zilias ging dann auf das Konzertprogramm ein. Bekanntes und Neues sind gut gemischt. Einige für die vorige Saison geplante Konzerte werden jetzt auf die Bühne kommen, teilweise neu gemischt. Spannende Dirigentinnen und Dirigenten treffen auf spannende Solisten, unter anderem wird Nicole Chevalier mit „Let me tell you“ von Abrahamsen dabei sein.
Im 1. Konzert wird Marschners Ouvertüre zu „Hans Heiling“ mit dem Violinkonzert von Brahms (mit Tobias Feldmann als Solisten) und dem „Heldenleben“ von Strauss kombiniert.
Im 2. Konzert trifft das Bratschenkonzert von Bartok (mit Nils Mönkemeyer als Solisten) auf die Asrael-Sinfonie von Suk. Hier gab es von mir einen kleinen Freudenschrei. Dieses große, tief traurige Stück mit seinen Mahler-Anklängen, aber seinem ganz eigenen Stil – es wird das Publikum berühren! Dirigieren wird hier Tomáš Hanus. „Trauer & Versöhnung“ ist der treffende Titel dieses Konzerts.
Das 4. Konzert unter der Leitung von Titus Engel kombiniert Mahlers 7. Sinfonie mit „En face“ der aufstrebenden Komponistin Sarah Nemtsov.
Das 5. Konzert wird dann wieder Stephan Zilias dirigieren. „Chaos“ ist der Titel und Chaos kommt auf die Bühne. Das „Chaos“ aus „ Les Élemens“ von Jean-Féry Rebel trifft auf „Die Vorstellung des Chaos“ aus der „Schöpfung“ von Haydn und auf den „Le Sacre du printemps“ von Strawinsky. Ich bin gespannt, wie sich hier die „Sinfonia concertante für Oboe, Klarinette, Horn und Fagott und Orchester“ von Mozart eingliedern wird.
Das Konzertprogramm beinhaltet weiter so schöne Stücke wie die wunderbare 4. Sinfonie von Nielsen, die 9. Sinfonie von Dvorak und die Turangalia-Sinfonie von Messiaen.
Ballettdirektor Marco Goecke war dann über Handy aus einem Stuttgarter Park zugeschaltet. Als erste Premiere wird es „Toda“ des israelischen Choreographen Nadav Zelner geben, eine Art phantastischer Reise. Die zweite Premiere hat dann den Titel „Wir sagen uns Dunkles“, bestehend aus drei Choreographien von Jiří Kylián, Paul Lightfoot & Sol León und Marco Goecke. „A wilde story“ ist dann die dritte Premiere. Hier wird Marco Goecke sich auf Stoffe von Oscar Wilde beziehen. Viel mehr wollte Marco Goecke dazu nicht verraten, das sei alles noch in der Entwicklung. Im April wird endlich auch der umjubelte „Liebhaber“ live auf die Bühne kommen.
Nele Tippelmann, die Leiterin der XChange-Abteilung, erläuterte dann, dass die Oper das Thema Inklusion stärker in den Fokus nehmen wird. Es wird Live-Audiodeskriptionen geben, also gesprochene Erläuterungen live für Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen. Bei den Streams gab es das bereits teilweise. Auch eine Zusammenarbeit mit Gebärdendolmetscherinnen und Gebärdendolmetschern ist geplant, beginnend mit „Otello“. Frau Tippelmann hat das inclusive Projekt „Klangbaustelle“ begonnen, das die GFO mit einem Teil der großzügigen Spendengelder der Mitglieder aus der Spendenaktion im letzten Jahr fördert.
Laura Berman verabschiedete sich dann mit der Ankündigung, dass der nächste Opernball in Planung ist!
Das wird eine spannende, bunte und abwechslungsreiche Saison. Der Spielplan zeigt, wie innovativ und experimentierfreudig die Oper geworden ist. Mit vielen Ideen werden die eingespielten Gleisen verlassen, das Opernhaus öffnet sich weiter hinein in die Stadtgesellschaft. Das ist der richtige Weg in die Zukunft hinein. Ich freue mich drauf und hoffe, dass alles ohne Einschränkungen so stattfinden kann!
Achim Riehn