Trotz des schönen Frühsommerwetters war die Saisonvorstellung im Opernhaus gut besucht. Es ist eine gute Idee, so eine Veranstaltung kostenlos anzubieten, sie macht wirklich gespannt auf das Programm.
„Glück und andere Versprechen“ ist das passende Motto der Saison. Schon als ich mir das Programmheft online durchgeblättert hatte, war ich fasziniert. Die Premieren dieser Saison sind wirklich aufregend. Es sind keine der herkömmlichen Repertoireschinken (ich sage es mal so despektierlich) dabei, es ist Ungewohntes, Originelles, für viele Neues. Die Oper erfüllt so ihre Aufgabe, sie ist kein Wiederkäuer der ewig gleichen Dinge, sie zeigt auch die große, wunderbare Welt neben den ewigen „Top Twenty“. Keine Oldie-Hitparade der Premieren, sondern ein frischer Blick, herrlich. (Man kann mir anmerken, dass ich das ewig Gleiche langweilig finde.)
Laura Berman führte in ihrer so charmanten und dem Publikum zugewandten Art durch das Programm. Auch sie ging auf dieses Neuartige ein. Ihr Eindruck ist, dass heutzutage viele Menschen offen für neue Erfahrungen sind und Spaß daran haben, Unbekanntes zu entdecken. Gehen wir es also an! Viele Renner des Opernkanons sind zudem im Repertoire, das wird für alle was. Hoffen wir, dass es eine nicht so unberechenbare Saison wird wie wir es in den letzten zwei Jahren hatten! Diesem Wunsch von Laura Berman können wir uns alle anschließen!
„Ich mag Unterhaltung, bei der etwas zum Knabbern dabei ist“, so Laura Berman. Nach einem Musical in der letzten Spielzeit ist diesmal wieder eine Operette dran, die „Zirkusprinzessin“ von Emmerich Kálmán. In dieser Operette treffen zwei Welten aufeinander, die des Adels und die des Zirkus. Können Menschen aus diesen Welten zusammenkommen? Mercedes Arcuri bezauberte mit einem Ausschnitt daraus.
„L‘Orfeo“ von Monteverdi hat für Laura Berman eine besondere Bedeutung. In dieser mutmaßlich ersten Oper der Geschichte wurde die Rolle des Künstlers in der Gesellschaft neu definiert. Der Weg ging weg vom Gauklertum hin zum Geniekult. Orfeo verliert im Lauf der Oper die Liebe und die Fähigkeit, Kunst zu machen. Zwei Ausschnitte machten Appetit. Nina van Essen sang eine Arie der Botin, mit warmen Mezzosopran und voller Gefühl. Das neue Ensemblemitglied Luvuyo Mbundu (Bariton) wird den Orfeo singen. Er sang aus der Oper eine große Arie und mein Urteil stand fest: ein Gewinn für das Ensemble. Laura Berman und Luvuyo Mbundu plauderten dann ein bisschen über seinen Werdegang, der ihn aus Südafrika über das Opernstudie an der Oper Düsseldorf nach Hannover gebracht hat.
„Rusalka“ von Antonin Dvorak steht ebenfalls in einer Neuinszenierung auf dem Spielplan. Unter den Premieren ist das vielleicht das Stück, dass am ehesten zum Kernrepertoire der Opernhäuser gehört. Das „Lied an den Mond“ daraus ist bekannt, mehr aber meist nicht. Monika Walerowicz bewies in einer Arie der Hexe, dass es neben Schönheit in dieser Oper auch viel Dämonie gibt. Das ist eine Paraderolle für einen dramatischen Mezzosopran!
Der nächste Ausschnitt kam dann aus einer Oper, die sich unter den Wiederaufnahmen befindet. Aus dem „Barbier von Sevilla“ sang Bariton Darwin Prakash mit viel Witz, Spielfreude und schöner Stimme die Auftrittsarie des Figaro. Darwin Prakash war bisher im Opernstudio der Staatsoper und wechselt nun fest in das Ensemble. Gut gemacht, diesen Sänger durfte man auch nicht entwischen lassen! Laura Berman hat ein Händchen für hochbegabte Baritone, dass muss man neidlos zugestehen! Auch hier gab es dann ein kleines Gespräch über seinen Werdegang. Eigentlich hatte er Theologie geplant, aber dann hat man ihn quasi „abgeworben“. Die Baritone James Newby, German Olvera und Hubert Zapior sind aus dem Ensemble „hinaus in die Welt gegangen“, werden in der Oper Hannover aber auch in der Zukunft auftreten. So versprach es Laura Berman, ich nehme sie beim Wort. Mit Darwin Prakash und Luvuyo Mbundu sind aber vielversprechende Nachfolger gefunden worden.
Von Nikolai Rimsky-Korsakow wird es dann „Das Märchen vom Zaren Saltan“ geben. Ein Zaubermärchen, etwas für die ganze Familie, mit wunderbarer spätromantischer Musik. Bekannt daraus ist der „Hummelflug“, aber die ganze Oper lohnt. Pavel Chervinsky sang mit schönem Bass eine Arie des Zaren, Sarah Brady mit leuchtender Stimme eine Arie der Schwanenprinzessin. „Nicht immer nur Hänsel und Gretel für die ganze Familie!“ erläuterte Frau Berman verschmitzt.
Die letzte Premiere wird dann „Nixon in China“ von John Adams sein. Dieses Stück war schon für 2020 geplant, jetzt soll es endlich klappen. Diese Oper ist eine faszinierende Mischung aus Wagner, Strauss und Minimal Music, aber etwas ganz Eigenständiges. Mercedes Arcuri schoß in der großen Arie der Frau von Mao Tse-Tung ihre Koloraturgiftpfeile ins Publikum, es konnte einem Angst machen!
Erste Premiere der neuen Saison ist „Mefistofele“ von Arrigo Boito, eine große italienische Oper voller klanglicher Raffinessen. Pavel Valuzhin (als Gast) machte mit einer Arie des Faust Appetit auf diese Oper, Barno Ismatullaeva bezauberte als Margeritha mit leisen Tönen und Dramatik. Das darf man nicht verpassen!
GMD Stephan Zilias kam dann auf die Bühne und gab einige Informationen zum neuen Konzertprogramm. Auch hier findet sich diese Mischung aus bewährten, nicht so vertrauten und neuen Werken. Langeweile wird bei diesen acht Konzerten nicht aufkommen! Jedes Konzert wird eine eigene Welt werden (so mein Eindruck), jedes Konzert eine faszinierende Reise in musikalische Welten. Mit einem Augenzwinkern fragte Frau Berman dann, ob man vor der neuen Musik Angst haben müsste. Aber Stephan Zilias beruhigte: Emotion und Sinnlichkeit ist ihm wichtig. Ein Stück müsse für ihn sinnlich erlebbar sein, ganz egal, ob man sich vorher damit beschäftigt oder nicht. Beide waren sich einig: sie sind keine Fans von „überintellektualisierter Musik“ (ein schönes Wort!).
Der stellvertretende Ballettdirektor Christian Blossfeld gab dann zusammen mit Laura Berman einen Einblick in die neue Saison. Als großes Handlungsballett wird es „Der Feuervogel“ von Strawinsky geben. Marco Goecke wird sich damit zum ersten Mal mit einem Märchenstoff beschäftigen. Das wird dann ein faszinierendes Zusammentreffen von modernem Tanz mit der Tradition werden, so mein Eindruck. Tänzerinnen und Tänzer des Ensembles zeigten dann zwei Ausschnitte aus Produktionen dieser Saison. Besonders beeindruckte mich ein Ausschnitt aus „Wilde Story“. Dieses Ballett hat erst noch Premiere, es geht um Oscar Wilde und seine Märchen. Ich bin gespannt. Christian Blossfeld sagte dann noch, dass die internationale Tanzwelt zunehmend auf Hannover schaut. Das Ensemble hat verschiedene Einladungen, zum Beispiel nach Tel Aviv. Darauf kann man stolz sein!
Mein Fazit: das wird eine bunte, überraschende, faszinierende und ganz und gar nicht langweilige oder beliebige Spielzeit. Hannover traut sich was, traut sich mehr als viele andere Opernhäuser. Richtig so! Die Oper braucht sich nicht zu ducken, sie hat das Potenzial, Großes und Ungewöhnliches zu wagen. Genau so kommt man dahin, wohin man gehört: ganz an die Spitze!
Nach Abschluss der Veranstaltung gab es noch ein Beisammensein im Laves-Foyer mit Sekt für alle. Wir Gäste konnten mit allen Beteiligten plaudern und sie so kennenlernen. Danke für diese wunderbare Möglichkeit! Viele GFO-Mitglieder waren ebenfalls da, Gelegenheit für viele Gespräche. Die Vorfreude auf die neue Spielzeit war zu spüren. Wir freuen uns!
Achim Riehn