Eröffnungskonzert der Spielzeit am 11.09.2022 – spannende Stücke, tolle Stimmen, Faszination

Jedes Jahr freue ich ich mich auf dieses Konzert zur Saisoneröffnung! Ausschnitte aus dem Programm der Spielzeit, musikalische Appetithappen, alte und neue Ensemblemitglieder, das Orchester, fröhlich-festliche Stimmung – es ist einfach nur schön. Intendantin Laura Berman begrüßte das Publikum und freute sich sichtlich über das volle Haus. In schwierigen Zeiten ist Musik wichtig, sie hilft uns darüber hinweg. „Bringen Sie Ihre Freunde mit!“, unterstützt gerade jetzt die Kultur, so ihr Appell.

Schlussapplaus (Foto und Copyright: Achim Riehn)

Durch das Programm führten dann Regine Palmai, Sophia Gustorff und Martin Mutschler aus der Dramaturgie. Kenntnisreich erläuterten sie in kurzen Einführungen die Opern, aus denen dann Ausschnitte zu hören waren. Die Premieren dieser Saison sind spannend und ungewöhnlich. Geboten wird uns keine Hitparade des Repertoires, uns erwartet Frisches, Neues, Hörenswertes! Das bestens aufgelegte Ensemble sang dann auf hohem Niveau, das Niedersächsische Staatsorchester stand dem in nichts nach, ein wunderbarer Abend erwartete uns.

Von Nikolai Rimsky-Korsakow steht die Zauberoper „Das Märchen vom Zaren Saltan“ auf dem Programm. Viel zu selten gibt es Opern dieses Komponisten auf deutschen Spielplänen! Das ist etwas für die ganze Familie, mit wunderbarer spätromantischer Musik. Bekannt daraus ist der „Hummelflug“ und genau mit diesem wurde das Programm eröffnet., sehr schwungvoll dirigiert von James Hendry.

Sarah Brady sang mit leuchtender, strahlender Stimme die Arie „Ty, tsarevich, moy spasitel“ der Schwanenprinzessin. Es folgte das überschwängliche Duett der Schwanenprinzessin mit dem Zarensohn Gwidon, „Strastwujtje, knjas ty moj prekrasnits!“ Die Stimme von Sarah Brady harmonierte wunderbar mit dem maskulinen Tenor von José Simerilla Romero. Er ist ab dieser Saison neu im Ensemble, hier kann man sich schon auf einen erstklassigen Rodolfo in der „Boheme“ freuen.

„L‘Orfeo“ von Claudio Monteverdi ist eine der mutmaßlich ersten Opern der Geschichte. Hier machte die große Szene „Vi ricorda, o boschi ombrosi“ Lust auf mehr. Der frohgestimmte Orfeo erfährt auf seiner Hochzeitsfeier vom Tod von Eurydike. Dies ist Musik, die nach vier Jahrhunderten immer noch wie neu klingt. Nach einem zarten und fröhlichen Beginn wendet sich die Musik ins Traurige, Dunkle. James Newby, Nina van Essen und Pawel Brozek gestalteten dies wunderbar gesungen mit einer solchen Intensität, dass mir fast eine Gänsehaut über den Rücken lief. Das ist Musik, die unter die Haut geht! Giulio Cilona am Pult leitete diese emotionale Achterbahnfahrt bezwingend.

In die Gegenwart wurden wir dann mit Ausschnitten aus „Nixon in China“ von John Adams katapultiert. Dieses Stück war schon für 2020 geplant, jetzt soll es endlich klappen. Diese Oper ist eine faszinierende Mischung aus Spätromantik, Minimal Music, mit Anklängen aus dem Jazz und aus dem Musical. Das Orchester unter Stephan Zilias startete mit dem „Tropical Storm“. Eine hochemotionale Klangwoge voll dramatischer Wucht rauschte durch den Saal, phantastisch gespielt. Leuchtend erhoben sich Wagner-Anklänge wie eine Regenbogenbrücke über die Klänge. Das ist Musik, die dem Publikum zugewandt ist.

Danach präsentierte Mercedes Arcuri ein Glanzstück für Koloratursopran, die Arie „I am the wife of Mao Tse-Tung“. Das ist ein Stück, das hohe Töne wie Giftpfeile ins Publikum schleudert. Absolut präzise und voller Energie bewältigte Mercedes Arcuri die großen Tonsprünge und die gleißenden Spitzentöne. Das war eine Königin der Nacht der Dämonen!

Nach der Pause tauchten wir dann in eine ganz andere Welt ein. Nach einem Musical in der letzten Spielzeit ist diesmal wieder eine Operette dran, „Die Zirkusprinzessin“ von Emmerich Kálmán. In dieser Operette treffen zwei Welten aufeinander, die des Adels und die des Zirkus. Können Menschen aus diesen Welten zusammenkommen? Giulio Cilona dirigierte diese süße Musik mit wienerischem Schwung, das Orchester spielte mit vollster Operettenseligkeit. Dies gelang in der Ouvertüre mit so viel Gefühl und Überschwang, dass es mitten im Stück Beifall gab.

Mercedes Arcuri hatte dann das Dämonische abgelegt und bewies wieder einmal, dass sie auch das Leichte perfekt beherrscht. Sehr lebensfroh und bezaubernd sang sie die Arie „Was in der Welt geschieht“ der Fedora. Nikki Treurniet und der kurzfristig für den erkrankten Philipp Kapeller eingesprungene Johannes Dunz verzückten dann mit dem Duett des „leichten“ Paares Mabel und Toni: „Glaubst Du denn“. Diese Musik geht ins Ohr und ich konnte auf dem Nachhauseweg das „Wenn Du mich sitzen lässt, fahr ich sofort nach Budapest“ nicht mehr aus dem Ohr bekommen!

„Rusalka“ von Antonin Dvorak steht ebenfalls in einer Neuinszenierung auf dem Spielplan. Unter den Premieren ist das vielleicht das Stück, dass am ehesten zum Kernrepertoire der Opernhäuser gehört. Es ist eine Märchenoper dunklen Tons, musikalische Schönheit paart sich mit Melancholie und Dämonie. Das „Lied an den Mond“ daraus ist bekannt, mehr aber meist nicht. Die drei Ausschnitte im Eröffnungskonzert bewiesen, wie hörenswert diese Oper ist. Es dirigierte wieder Stephan Zilias, das Orchester spielte mit durchsichtiger Klarheit.

Daniel Miroslaw begann mit dem Lied des Wassermanns „Běda! Běda!“ aus dem zweiten Akt. Ein trauriges, ruhiges Stück, hochromantisch, mit Drama versetzt. Der ausdrucksvolle Bass von Daniel Miroslaw kam hier wunderbar zur Geltung. Monika Walerowicz zeigte in der Zauberarie Čury mury fuk“ der Hexe Ježibaba, dass es neben Schönheit in dieser Oper auch viel Dämonie gibt. Das ist eine Paraderolle für einen dramatischen Mezzosopran! Ich konnte den kochenden Zauberkessel vor mir sehen! Kiandra Howarth bewies dann mit der Arie „Necitelná vodní moci“ aus dem dritten Akt, dass Rusalka neben dem Lied an den Mond auch weitere wunderbare Arien zu singen hat. Dieses Stück ist voll von dramatischer Traurigkeit, Kiandra Howarths Stimme bewältigte dies mühelos mit strahlender Klarheit.

Erste Premiere der neuen Saison ist „Mefistofele“ von Arrigo Boito, eine große italienische Oper voller klanglicher Raffinessen. Es gab drei Ausschnitte zu hören, in denen die Sängerinnen und Sänger vom Orchester unter Stephan Zilias farbenprächtig und präzise begleitet wurden. Diese Oper hat in einigen Wochen Premiere und könnte einer der Höhepunkte der Saison werden. Große, emotionale Oper voller Drama mit Belcanto-Gesang, was will man sich mehr wünschen!

Barno Ismatullaeva begann mit der Sopranarie der Margherita „L’altra notte in fondo al mare“ aus dem dritten Akt. Margherita sitzt im Gefängnis und gibt ihrer Verzweiflung musikalisch Ausdruck. Barno Ismatullaeva sang dies intensiv und glühend, mit strahlenden Spitzentönen, es traf direkt ins Herz. Der Tenor Pavel Valuzhin wird als Gast den Faust singen. In seiner romantischen, eher lyrischen Arie „Dai campi, dai prati“ begeisterte er mit reiner und strahlender Stimme. Shavleg Armasi zeigte dann in der Bass-Arie des Mefistofele „Son lo spirito che nega“ das Wesen des Mefistofele deutlich auf. So viel Spott und Menschenverachtung im Ton hört man selten. Shavleg Armasi sang das angemessen dämonisch und mit düsterer Glut, aber immer mit „schwarzem“ Charme. Ein große Rollenausgestaltung erwartet uns!

Zum Abschluss des Programms kamen dann alle für die Ensembleszene „Bevo al tuo fresco sorriso“ aus Giacomo Puccinis „La Rondine“ auf die Bühne und wurden für diese glühende, mitreißende Darbietung und für den ganzen Abend gefeiert. Es gab die für Hannover seltenen Standing Ovations, voll verdient. Das Publikum war aus ganzem Herzen begeistert.

Die Sängerinnen und Sänger unseres Ensembles hatten mit Leichtigkeit bewiesen, dass sie sich nicht hinter gefeierten Stars der Opernszene verstecken müssen. Ich freue mich darauf, alle wieder auf der Bühne zu sehen. Unser Niedersächsisches Staatsorchester zeigte, wie klar, präzise und voller Seele es spielen kann. In den Premieren der neuen Saison wird ein ganz weiter musikalischer Raum abgedeckt, hier werden alle ihre Qualitäten zeigen können. Ich freue mich sehr und werde keine der neuen Produktionen auslassen wollen! Hingehen und sich überraschen und faszinieren lassen!

Achim Riehn

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Besprechung Konzertbesuch veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.