Auch in diesem Jahr gab es wieder eine Saisonvorstellung, ein Angebot speziell für Abonnenten. Eigentlich sollte dies schon im Mai stattfinden, die Coronakrise hatte dann eine Verschiebung erzwungen. Musikalische Einblicke in die neue Saison hatte es so schon im Eröffnungskonzert gegeben. Trotzdem war auch diese Veranstaltung sehr interessant. Die Opernarien klingen mit Klavierbegleitung doch anders. Das Schönste aber bei der Saisonvorstellung sind die kleinen Interviews, die Laura Berman in ihrer charmanten, zugewandten Art mit den neuen Ensemblemitgliedern führt. Darauf will ich in diesem kleinen Bericht auch den Schwerpunkt legen.
Sarah Brady ist aus Irland, 2017 ist sie nach Basel gekommen. Der Chor in der Schule und erste kleine Solorollen darin haben sie früh für die Musik begeistert. Ihre Traumrolle ist die Susanna aus dem Figaro. Sunnyboy Dladla stammt aus einer kleinen Stadt in Südafrika. Auch er ist über das Chorsingen zur Musik gekommen, hier war es aber der Kirchenchor. Seit dreizehn Jahren ist er nun im deutschsprachigen Raum, nach dem Studium hier in Lübeck, dem Opernstudio in Zürich und Engagements in Stuttgart, Berlin und Dortmund – meist freiberuflich – hat er nun nach Hannover gefunden.
Unsere neue „Carmen“ Ruzana Grigorian ist Armenierin, über Moskau ist sie zum Studium nach Salzburg gekommen, danach war sie Mitglied des Opernstudios der Oper Hamburg. Auch sie hat einige Traumrollen: die Dalilah, Charlotte in „Werther“, die Amneris. Rodrigo Porras Garulo stammt aus Mexiko. Musicals haben ihn für die Musik begeistert. Er ist familiär bedingt als Kosmopolit aufgewachsen, sein erstes Engagement war in Meiningen, danach war er freiberuflich tätig, u.a. in Karlsruhe. Dieses Jahr wird er in Kopenhagen als Pinkerton debütieren.
Alle Vier sprachen ein gutes Deutsch, bei Rodrigo Porras Garulo war keinerlei Akzent zu hören. Das hat mich begeistert – ich hätte nach teilweise so kurzer Zeit in einem Land diese Fähigkeit nicht. Vielleicht gehören Sprachbegabung und Gesangsbegabung doch irgendwie zusammen.
Im Gespräch mit Laura Berman schilderte unser neuer GMD Stephan Zilias dann die Schwierigkeiten, die Corona für das Orchester und die Konzerte bedeuten. Jedes geplante Programm musste unter die Lupe genommen werden, Programmüberarbeitungen sind die Folge. Da sich die Bedingungen ständig ändern können ist die Devise „spontan bleiben“. Streicher müssen nun Einzelpulte haben, Bläser benötigen größere Abstände, es gibt dadurch einfach nicht genug Platz auf der Bühne. Die Änderungen des ersten Konzerts stehen schon in der Programmvorschau. Auch das zweite Konzert ist schon überarbeitet.
Sehr interessant war dann auch das Gespräch mit Michael Kupfer-Radecky, der in dieser Saison den König Lear in der gleichnamigen Oper von Aribert Reimann singen wird. Es ist eine außerordentlich anspruchsvolle Partie, auf die sich der Sänger inzwischen seit über einem Jahr vorbereitet. Am Anfang stand die Beschäftigung mit der Klangwelt anhand von Aufnahmen, dann folgte die intensive Beschäftigung mit den Noten. Seit März wird intensiv an der Musik gearbeitet. Prämiere soll im Mai sein – wenn das dann wegen der großen Besetzung (hundert Mitwirkende im Orchester!) stattfinden kann.
Musikausschnitte aus „Sweeney Todd“, „Otello“ und „Così fan tutte“ folgten.
Marco Lee sang mit sehr schöner Stimme eine Arie aus „Così fan tutte“, ihn kannten wir noch nichts aus dem Eröffnungskonzert. Er stammt aus Korea und war bisher in Basel engagiert.
Zum Schluss kam dann Ballettdirektor Marco Goecke auf die Bühne, direkt aus einer Ballettprobe mit Publikum im Ballhof. Erschien er mit bei der Saisonvorstellung vor einem Jahr noch etwas zurückhaltend, so war heute der Eindruck ein ganz anderer – offen und locker. Er freut sich, dass die Menschen wieder in die Theater finden. Er ist aber auch ein bißchen wütend darüber, dass Theater in dieser Zeit in der Öffentlichkeit kaum eine Rolle spielt. Insbesondere die Schwierigkeiten des Tanztheaters werden nicht thematisiert. Freie Gruppen stehen praktisch vor dem Aus. Choreographien sind wegen des Anstandsgebots (sechs Meter) eine Herausforderung. Für Neues kann das bei der Erarbeitung berücksichtigt werden, kompliziert wird es beim Repertoire. Überarbeitungen sind sehr schwierig. Zwei überarbeitete Soli aus „Kiss a Crow“ beschlossen diesen Gesprächsteil.
Zum Anschluss erläuterte Laura Berman die vielfältigen Maßnahmen, mit denen wieder Betrieb im Opernhaus möglich ist. Das Haus steht dabei in ständigem Kontakt mit den zuständigen Behörden. Sie appellierte an uns, keine Scheu zu haben. Musiktheater muss jetzt neu gedacht werden, das ist auch ein bisschen eine Chance. Mit diesem Bekenntnis endete ein sehr interessanter Abend.
Achim Riehn