„Mefistofele“ von Arrigo Boito ist die erste Premiere der neuen Saison. In einer „Kostprobe“ konnten wir eine Probe besuchen. Soviel schon vorweg: diese Inszenierung wird mit Sicherheit ein Höhepunkt der Saison! Große Themen, abwechslungsreiche Musik und eine spektakuläre Bühne erwarten uns.
Ein Probenbesuch ist immer etwas Besonderes und immer aufregend, ich liebe es. Wie in einem Labor kann ich zuschauen, wie eine Inszenierung sich entwickelt, wie sich eine Idee für das Publikum entfaltet. Vor- und Nachgespräche gehören dazu, sie geben tiefe Einblicke in das Geschehen. Informativer kann kaum für Oper geworden werden. Der Abend war gut besucht, das Angebot zu diesen Kostproben hat sich offenbar herumgesprochen, gut so!
Chefdramaturgin Regine Palmai und Regisseurin Elisabeth Stöppler erläuterten zu Beginn ihre Gedanken zur Inszenierung. Die Oper war schon für 2020 geplant, konnte aber damals wegen der Corona-Einschränkungen nicht umgesetzt werden. Es war für Elisabeth Stöppler eine neue Erfahrung, so lange mit einer Idee schwanger zu gehen. Es war eine Herausforderung, die Gedanken über diese Zeit frisch zu halten. Aber es hat geklappt.
Die Oper verhandelt das große Thema: Wie positioniert sich der Mensch zwischen Gut und Böse? Boito konzentriert sich nicht auf die Kriminalgeschichte Faust-Gretchen, er interessiert sich auch für den philosophischen Überbau. Die Oper beginnt mit dem Prolog, der im Himmel spielt und in dem Gott und Mefistofele ihre Wette über Faust eingehen. Es entsteht so eine Kombination aus Philosophie und Unterhaltung, ein „Tanz auf dem Vulkan“ mit unheimlichen Tempo, ständig wechselnden Bildern. Ein „Weiter, weiter!“ ist das Motto Fausts, das passt gut in die heutige Zeit. Die Geschichte muss ja auch mit unserer heutigen Zeit und Erfahrung „neu aufgeladen“ werden. Der Kern der Geschichte muss für uns Menschen heute sichtbar werden: Jeder von uns kann verführt werden in einer Welt, in der Gut und Böse nicht mehr klar unterscheidbar sind.
In der Probe sahen wir dann einen Durchlauf des ersten Teils der Oper von Beginn an. Es gab noch keine Kostüme, aber sie sollen ganz spektakulär sein! Im Prolog sind bis zu 130 Personen auf der Bühne – Solisten, Chor, Extrachor, Kinderchor, ein Hund. Ich bewundere jede Person auf der Bühne, die da den Überblick behält! Es sah schon ganz gut aus. Einige Abläufe mussten noch korrigiert werden, Figuren standen nicht im Licht, aber das waren offenbar nur noch Details. Zu Beginn gab es eine kleine Verzögerung, weil Personen noch nicht auf ihren Positionen waren („Engelalarm“!). Die Musik riss mit, das Geschehen auf der Bühne fesselte. Zum Bühnenbild verrate ich noch nichts, aber es ist aufs Wesentliche konzentriert und doch spektakulär. Die Vorhänge aus Gold und Silber, das leuchtende Kreuz, die dämonische Puppe – ich beschränke mich auf Andeutungen. Man MUSS es selbst sehen.
Ganz fasziniert besprachen wir dann das Gesehene noch mit Regine Palmai. Elisabeth Stöppler wollte Aspekte von heute in die Inszenierung einbringen, nicht nur den „Faust“ bebildern. Das ist ihr gelungen! Ich freue mich auf den Opernbesuch!
Achim Riehn