Oper live im Opernhaus ist leider im Augenblick nicht möglich, dafür gibt es einige interessante und innovative Angebote der Oper im Netz. Zu den Hintergründen hat Beiratsmitglied Achim Riehn mit Christiane Hein für die GFO ein Gespräch geführt. Wegen der Situation haben wir auf ein Live-Interview verzichtet und Mails ausgetauscht, aber das funktionierte auch prima.
GFO:
In dieser wegen Corona vorstellungsfreien Zeit sind wir alle froh, dass es Online-Angebote der Oper gibt. Für die Mitglieder der GFO wäre es sehr spannend, hier ein paar Hintergrundinformationen zu bekommen. Operavision, Livestream auf der Seite der Staatsoper Hannover, Youtube – welche Onlineangebote sind auf welchen Plattformen für diesen Winter geplant?
Christiane Hein:
Wir haben im Dezember zwei Streams für unsere Zuschauer*innen im Angebot: „Trionfo. Vier letzte Nächte“ und unsere neue „Carmen“. Beide Produktionen kann man kostenlos in der Mediathek unserer Homepage sehen oder auf dem YouTube-Kanal von OperaVision. Und bis zum 30. November können alle Ballettfreunde sich noch an „Rastlos“ auf staatsoper-hannover.de erfreuen! Weitere Streams sind zur Zeit nicht geplant – aber die ein oder andere Überraschung kann auf unserer Homepage vielleicht noch kommen.
GFO:
Wäre diese Nutzung der neuen elektronischen Medien auch ohne Corona irgendwann gekommen? Steht dahinter auch die Absicht, ein anderes, großes, auch internationales Publikum zu erreichen, also mehr Aufmerksamkeit zu bekommen?
Christiane Hein:
Wir hatten die Zusammenarbeit mit OperaVision schon länger in Planung. Die Pandemie hat die Abläufe allerdings beschleunigt. In erster Linie produzieren wir für unser Publikum, das live im Opernhaus die Vorstellung erlebt – auch wenn dies, wie wir alle schmerzlich erleben, im Moment nicht möglich ist. Aber natürlich ist die Aufnahme in ein renommiertes Portal wie OperaVision eine schöne Honorierung unserer Arbeit und die internationale Aufmerksamkeit eine Bestätigung unserer Qualität. Wir haben im November über unsere eigene Homepage den Ballettabend „Rastlos“ gestreamt und hatten am Premierenabend über 15.000 Zuschauer*innen, die sich eingeklickt haben. Die Staatsoper und das Staatsballett wurden in den sozialen Medien unzählige Male getagged und unser Postfach – interessanterweise auch mit Anfragen nach offenen Stellen – ist übergequollen. Von dieser Aufmerksamkeit profitiert die Staatsoper insgesamt und damit auch die Stadt und das Land.
GFO:
Ich war bei der Vorstellung von „Trionfo“ dabei, die über Operavision übertragen wurde. Ich sah da mehrere Kameras, Mikrofone muss es auch gegeben haben. Die Qualität der Übertragung war großartig, dazu gab es ja sogar noch Untertitel live. Wie groß ist der technische Aufwand für so ein Angebot? Was ist dafür alles zu tun? Wie lange Vorbereitung braucht es?
Christiane Hein:
Der Aufwand ist tatsächlich beachtlich, wenn man diese Qualität erreichen will. Dabei ist es erstaunlich, wie schnell Profis einen solchen Stream, der ja live übertragen wurde, auf die Beine stellen können. Das Regieteam des Streams hat vorher eine Vorstellung angeschaut, und mithilfe unserer Projektleiterin Janine Ahmann wurden Kontakte zu unserer Maske, zum Ton, zum Dramaturgen, zum Regieassistenten der Produktion, zum Host unserer Internetseite, zur Technik von OperaVision und zu meiner Abteilung hergestellt und alle Vorgänge wurden abgesprochen und überprüft. Equipment wurde ins Opernhaus gebracht und bereits am Tag vor dem Stream wurde ein großes Regiepaneel aufgebaut, von dem aus alle Vorgänge während des Streams gesteuert wurden. Daneben mussten Rechte vom Verlag und von den beteiligten Künstler*innen eingeholt werden. Sie merken schon, die Hauptaufgabe ist gute Kommunikation in der Vorbereitung.
GFO:
Wie waren die Reaktionen der Zuschauerinnen und Zuschauer? Ich persönlich war begeistert.
Christiane Hein:
Danke für das Kompliment! Während der Übertragung hatte ich die große Freude, gemeinsam mit unserem Dramaturgen Martin Mutschler, der die Produktion betreut hat, den den Stream begleitenden Live-Chat auf YouTube zu betreuen. Das Feedback dort war überwältigend. Zum einen ist es natürlich schön zu lesen, aus welchen Ländern, die Menschen zuschauen. Dort wurden Worcestershire, Barcelona, Russland, Madrid, Polen, Duisburg, Ljubljana, Finnland, Kroatien, Canada oder Irland genannt. Privat weiß ich auch von Zuschauer*innen aus Australien – nicht live, sondern im Laufe des Samstags -, Südamerika und aus den USA. Wir haben viele Komplimente für die technische Qualität bekommen und anregende Gespräche über die Inszenierung geführt. Dabei waren die Reaktionen überwiegend absolut positiv. Beim Live-Chat zu „Carmen“ ging es da etwas intensiver hin und her. Allerdings mussten wir kaum erklärend eingreifen, da auf jeden zweifelnden Kommentar sofort Gegenstimmen von begeisterten Nutzer*innen kamen. Es war eine große Freude – vor allem als sich dann auch noch Marius Felix Lange, der Komponist unserer Carmen-Fassung, persönlich in den Chat eingeschaltet hat.
GFO:
Gibt es schon Informationen darüber, wieviele Menschen mit den Angeboten erreicht wurden?
Christiane Hein:
Wir kalkulieren da eher konservativ. Da man nicht jede*n User*in traggen kann, der auf unseren Seiten surft – man geht da von ca. 50% aus – rechnen wir bei unserem Ballettstream zur Zeit mit ca. 22.000 Zuschauer*innen. „Trionfo“ und „Carmen“ haben bisher jeweils über 15.000 (getraggte) Menschen gesehen. Wobei man ehrlicherweise sagen muss, dass nicht alle Zuschauer*innen online eine Oper komplett anschauen.
GFO:
Sehr angetan bin ich auch von dem Angebot, zu Vorstellungen jeweils sich Einführungen anhören zu können. Wird das fortgeführt werden?
Christiane Hein:
Wir hatten auch letzte Spielzeit die Einführungen zu unseren Premieren online im Angebot gehabt und möchten das gerne weiterführen. Aber natürlich bedeutet ein Podcast oder sogar ein Video Mehrarbeit für unsere Kolleg*innen der Dramaturgie und ich hoffe, dass sie diesen Service weiterhin ermöglich können.
GFO:
Werden vielleicht auch eventuell vorhandene ältere Aufnahmen zugänglich gemacht?
Christiane Hein
Das glaube ich eher nicht. Die Komplexität der Verträge macht das sehr aufwändig.
GFO:
Wie lange werden diese Angebote jeweils zur Verfügung stehen?
Christiane Hein:
„Trionfo“ ist bis 9.4.2021 und „Carmen bis 10.11.2021 auf operavision.eu, youtube.com/operavision und auf staatsoper-hannover.de abrufbar. „Rastlos“ kann man bis 30.11.2020 auf staatsoper-hannover.de sehen.
GFO:
Wie kann man am besten für diese Angebote Werbung machen? Im Opern-Newsletter gibt es ja schon Hinweise, das könnte man ja auch in den Spielplanankündigungen in den Tageszeitungen platzieren.
Christiane Hein:
Genau das haben wir auch gemacht. Wir nutzen alle Medien, die uns zur Verfügung stehen – online und offline. Der Werbeaufwand ist beträchtlich, doch im Moment sind die Streams die einzige Möglichkeit, unsere Kunst zugänglich zu machen. Darum sind die Angebote auch kostenlos – auch wenn wir uns über einen Unkostenbeitrag der Zuschauer*innen freuen.
GFO:
Wird dieses Online-Angebot auch nach der Pandemie weitergeführt?
Christiane Hein:
Wir planen, auch in Zukunft, zwei Produktionen im Jahr via OperaVision zu streamen.
GFO:
Ist vielleicht so etwas wie ein „Online-Abo“ angedacht?
Christiane Hein
Unser Schwerpunkt wird auch weiterhin das Live-Angebot in Hannover sein – Oper, Ballett und Konzert sind durch und durch analoge Angebote und live einfach am wunderbarsten und stärksten. Darum ist ein Online-Abo nicht angedacht. Wir hoffen hingegen, unsere Abonnent*innen, Freund*innen und alle Zuschauer*innen wieder im Opernhaus begrüßen zu können.
GFO:
Vielen Dank für diese interessanten Informationen! Wir alle freuen uns wieder auf Oper, Ballett und Konzert live – dieses Online-Angebot ist eine gute Ergänzung und auch, wie ich glaube, ein innovatives Zusatzangebot!