Schülerkritiken Spielzeit 2021/22: Meine Erfahrung bei “Sweeney Todd – The Demon Barber of Fleet Street”

Bei meinem Besuch bei der Staatsoper Hannover am 22.06. wurde ich zum ersten Mal mit
der Geschichte von Sweeney Todd vertraut.
Vorab, ich war nicht bei der Einleitung. Das habe ich nachträglich auch nicht bereut, da ich es als besonders wertvoll empfunden habe, die Entwicklungen der Geschichte blind mit zu erleben.

Szenenfoto aus Sweeney Todd (Foto und Copyright: Sandra Then)

Wir hatten Plätze in der ersten Reihe bekommen, zwar kamen schnell Befürchtungen in
Sache Akustik auf, ich persönlich aber war sehr zufrieden mit den Plätzen, da ich es sehr
spannend fand, so nah am Schauspiel und vor allem am Orchester zu sitzen und konnte
deswegen über die etwas übertönenden Bläser (da diese direkt vor uns saßen)
hinwegschauen.
Das erste, was mir positiv in Erinnerung geblieben ist, ist der Beginn:
Mit all dem, was ein Musical typisch bieten kann, wird der teuflische Protagonist großartig
angekündigt und vorgestellt.
Die Chöre singen mit Abscheu, das Orchester spielt, eine mitreißende Choreografie und
Sweeney Todd steigt aus seinem zukünftigen Grab.
Ähnlich gestaltete sich auch das Ende, nach viel Tod und Morden, sehen wir nochmal auch
die ermordeten Charaktere. Gemeinsam singen sie, jetzt für den Zuschauer aber in einem
etwas anderen Licht, das selbe Lied von Sweeney Todd, ebenfalls in einem tutti, mit
Orchester.
Die Musik strahlte aber nicht nur in voller Besetzung, sondern waren für mich persönlich vor allem die von der Orgel begleiteten Szenen sehr mitreißend.
Die Musik verstärkte diese Boshaftigkeit, es war, als wäre der Darsteller plötzlich nochmal
ein Stück gewachsen und ich, als Zuschauer, würde von unten zu ihm hinaufschauen.
Gleichzeitig ist in der Szene der Musiker-Solist so wirklich selbst zum Darsteller geworden.
Ich hatte den Eindruck, Darsteller und Musiker würden hier am stärksten und am freisten
miteinander interagieren, da die Musik nicht mehr nach Metrum verlief, sondern nach Text des Darstellers. Das hat einen großen Eindruck auf mich gemacht.
Was ich keinesfalls unerwähnt lassen darf, ist die Bühne. Die Verwendung der Drehbühne
und des, aus einzelnen, sich bewegenden Abschnitten bestehenden, Bühnenbilds sowie des großen Bildschirms, ist einerseits genial, andererseits leider auch etwas, was ich in
bestimmten Szenen nicht ganz passend fand.
Wo es, meiner Meinung nach, besonders gelungen war, war zum Beispiel die “Reise”
Sweeney’s nach London. Die Bühne dreht sich, es bilden sich enge Wege zwischen den
Abschnitten der Bühne, Menschen gehen zügig hindurch und das Ganze wird nochmal auf
den Bildschirm aus der Vogelperspektive projiziert: Rein visuell stellt die Bühne längst nicht eine Stadt dar, aber erstaunlicherweise weiß man als Zuschauer sofort, dass es sich jetzt um eine Großstadt handelt.
Zudem hat die Bühne farblich vor allem zum zweiten Akt gepasst. Das Weiß verstärkte
wunderbar die Farben, die den Hauptfiguren zugewiesen worden sind (Rot, Blau, Gelb) im
vergleich zu den restlichen, grau angezogenen Darstellern.
Ein Problem war das Weiß, meines Erachtens nach, im ersten Akt.
Als vermittelt werden sollte, wie heruntergekommen und dreckig Mrs. Lovetts Pastetenladen ist, kam das durch den leuchtend-weißen Hintergrund einfach nicht überzeugend rüber.
Ein Punkt, bei dem ich unentschlossen über meine Meinung bin, sind die Stellen im Musical, in denen der Zuschauer fast dazu aufgefordert wird, wegzuschauen. Damit sind die vielen Morde und der Kannibalismus gemeint.
Es ist ein zentraler (wenn nicht sogar der zentrale) Punkt des Stückes, aber der Versuch es
auf die widerlichste und schockierendste Weise zu inszenieren, ist meiner Meinung nach ein eher billiges Mittel, Aufmerksamkeit und Interesse bei den Zuschauern zu erzeugen, gerade wenn es das Stück eigentlich nicht nötig hat.
Wie man merken kann, bin ich sowohl aufgrund der Musik, als auch aufgrund der tollen
Ideen in der Inszenierung immer noch überzeugt vom Musical und würde es auch jedem,
dem beim Anblick von Blut nicht schwindelig wird, empfehlen.

Jakub, Jg. 12, Neue Schule Wolfsburg

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